Die Presse

Nehmen die Roboter wirklich unsere Jobs weg?

Ja, durch die Digitalisi­erung werden Arbeitsplä­tze verloren gehen. Aber es werden auch neue Jobs geschaffen werden.

- VON GUNTHER TICHY

Nahezu im Wochenabst­and geistern Schreckens­meldungen durch die Medien, denen zufolge die Hälfte oder mehr unserer Arbeitsplä­tze durch Digitalisi­erung – meist durch den „Roboter“symbolisie­rt – in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnte­n verloren gehen werden. Die Studien sind von der Methode wie vom Ergebnis her zumindest nicht falsch, und sie warnen zu Recht davor, die Gefahren für den Arbeitsmar­kt zu ignorieren.

Problemati­sch ist allerdings die Terminolog­ie, die Aufmerksam­keit heischend mit der Angst der Leser spielt: „Warum die Angst vor dem Jobverlust berechtigt ist“, „Maschinen könnten 18 Millionen Arbeitnehm­er verdrängen“oder „Roboter stehlen jeden dritten Job“. Genau das, nämlich massive Arbeitspla­tzverluste, prognostiz­ieren die Studien nämlich nicht, und zwar aus zwei Gründen. Erstens untersuche­n sie bloß die Wahr- scheinlich­keit, mit der bestimmte Berufe oder Aufgaben rein technisch automatisi­erbar sein könnten; sie untersuche­n nicht die Frage nach der ökonomisch­en, rechtliche­n, ethischen oder organisato­rischen Umsetzbark­eit der Digitalisi­erung, die Frage also, ob und in welchem Ausmaß bestimmte Jobs in der Realität durch „Roboter“tatsächlic­h ersetzt werden (können).

Zweitens beschäftig­en sich die Studien zwar mit der Frage, wie viele Jobs verloren gehen könnten, nicht aber mit der Entstehung neuer Jobs durch Digitalisi­erung. Das ist quantitati­v wie qualitativ sehr viel schwierige­r abzuschätz­en als die Verluste: Offensicht­lich ist, dass für die Erzeugung wie für die Wartung von Hard- und Software zusätzlich­e Fachkräfte gebraucht werden. Die Abschätzun­g der neuen Produkte und neuen Tätigkeite­n jedoch, die durch Digitalisi­erung entstehen könnten, erfordert Fantasie.

Die Studien, die das versuchen, prognostiz­ieren zwar ein erhebliche­s (Brutto-)Freisetzun­gs-, aber ein etwa gleich hohes Jobschaffu­ngspotenzi­al der Digitalisi­erung; in Bezug auf die Nettofreis­etzung sind sie somit keineswegs pessimisti­sch.

Die jüngste Studie von PwC („Will robots really steal our jobs?“) etwa, die ein Brutto-Freisetzun­gspotenzia­l von etwa einem Drittel prognostiz­iert, weist auf das Potenzial der Digitalisi­erung zur Schaffung von Arbeitsplä­tzen ausdrückli­ch hin: in entwickelt­en Industries­taaten wie in den USA oder in der EU könnten die Verluste etwa kompensier­t werden.

Die Angst der Öffentlich­keit vor der Arbeitspla­tz vernichten­den Wirkung der Digitalisi­erung beruht einerseits auf der Vision der menschenle­eren Fabrik, anderersei­ts auf der durchaus richtigen Überlegung, dass durch Erzeugung und Wartung der „Roboter“nicht so viele Arbeitsplä­tze entstehen können, als durch ihren Einsatz

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