Nicht hilfreich: Merkel und Seehofer an Bord der Titanic
Es hängt vor allem von Deutschland ab, ob die EU effektive Maßnahmen zur Abwehr der Massenmigration setzt. Aber leider ist es selbst ein Teil des Problems.
Der Konflikt zwischen Angela Merkel und ihrem Innenminister, Horst Seehofer, von der Schwesterpartei CSU hat etwas Gespenstisches. Es ist, als stritten sich an Bord der Titanic zwei Installateure darüber, wie sie ein tropfendes Wasserrohr reparieren könnten. Ob die deutsche Polizei Migranten an drei (!) Grenzübergängen zu Österreich kontrollieren und gegebenenfalls zurückschicken soll, ist nämlich von geradezu lächerlicher Geringfügigkeit.
Die sogenannte Sekundärmigration nach Deutschland, mit der Merkel und Seehofer fertigwerden müssen, ist die lecke Wasserleitung im Inneren des Schiffes. Die wirkliche Herausforderung aber besteht darin zu gewährleisten, dass die EU an den Stoßwellen der Massenmigration nicht ebenso zerbricht wie der Rumpf der Titanic an einem Eisberg.
Seit 1990 hat sich die Zahl der grenzüberschreitenden Migranten nahezu verdoppelt. Der Druck, der sich da immer schneller aufbaut, ist enorm. Vor fünf Jahren ergab eine weltweite Gallup-Umfrage, dass 630 Millionen emigrieren würden, falls sie dazu die Gelegenheit hätten. In der jetzt gerade veröffentlichten Umfrage waren es bereits 710 Millionen, das sind 14 Prozent der Weltbevölkerung. 147 Millionen gaben die USA als ihr Wunschziel an, 39 Millionen Deutschland, 35 Millionen Großbritannien. Allen Beschwichtigungen zum Trotz hält die Massenwanderung an – sie wird langsamer, wenn neue Barrieren errichtet werden, und sie nimmt sofort Fahrt auf, wenn Wege entdeckt werden, Barrieren zu umgehen.
Vergangene Woche berichtete die österreichische Außenministerin in einer Talkshow des ZDF vor sichtlich verblüfften deutschen Politikern über die Folgen der Aufhebung der Visumpflicht in Serbien für iranische Migranten. Die steigen jetzt in Belgrad in ein Flugzeug nach Deutschland. Dort rufen sie „Asyl“, und – Simsalabim! – das Tor zum Sozialparadies öffnet sich. Karin Kneissl hat recht, „2015 war kein Strohfeuer“. Es wird sich wiederholen, wenn die Schengen-Außengrenzen nicht wirksam gesichert werden. Die Migranten wollen nicht irgendwohin nach Europa, sie wollen nach Deutschland. Das liegt nicht nur an der fatalen Anordnung Merkels und ihres Adlatus Werner Faymann vom September 2015, die Grenzkontrollen zu sistieren. Diese nationales und europäisches Recht umgehende Entscheidung hat die Massenmigration zwar enorm beschleunigt, aber sie hat sie ebenso wenig verursacht wie das „freundliche Gesicht“der Kanzlerin auf Selfies von Syrern und Afghanen.
Anders als Österreich hat Deutschland bisher fast nichts zum Abbau der sozialstaatlichen Anreize unternommen. Zur Zeit versorgt es 1,41 Millionen Schutzberechtigte und Asylbewerber – mehr als Frankreich, Italien, Schweden, Österreich und Griechenland zusammen. Allein in Berlin leben mehr Asylbewerber als in ganz Griechenland. Man kann offene Grenzen haben, sagte der amerikanische Nobelpreisträger Milton Friedman, und man kann einen Sozialstaat haben, aber nicht beides zugleich. Solange Deutschland lockt, wird auch die Verteilung der Asylanten scheitern, ganz unabhängig von der Haltung der Visegrad-´Staaten.
Merkel will die Migration durch die Bekämpfung der Fluchtursachen eindämmen. Aber die Europäer können nicht ganz Afrika und den Nahen Osten retten. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Berlin gegen die deutschen Schlepper-NGO-Hilfsorganisationen einschritte, die mit ihren Schiffen Zehntausende Migranten nach Europa bringen. Aber statt sie wegen Beihilfe zum Menschenschmuggel vor Gericht zu stellen, gelten sie als Helden.
Antrainierte Schuldkomplexe und multikulturelle Verdummung haben ein Meinungsklima entstehen lassen, das rationale politische Lösungen immens erschwert. Ohne Deutschland gibt es keine Lösung, aber Deutschland ist leider auch Teil des Problems. Merkels Rücktritt wäre sicher hilfreich – aber nur, wenn dann auch wirklich der Kurs korrigiert wird.