Die Presse

Wirtschaft kontra Umwelt?

Standort. ÖVP und FPÖ setzen alles daran, Genehmigun­gsverfahre­n für Großprojek­te zu beschleuni­gen. Im Industriel­and Oberösterr­eich sollen nun die Umweltanwä­lte dran glauben.

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Das Paket hat nicht alle gleicherma­ßen erfreut. Noch während der Ministerra­t am Mittwoch das neue „Umweltpake­t“der türkis-blauen Regierung verschnürt­e, hagelte es bereits Proteste: Der WWF heulte auf, das Ökobüro protestier­te, Greenpeace warnte und der Umweltdach­verband schimpfte. Ein Fall von notorische­r Unzufriede­nheit? Durchaus. Und zwar mit ÖVP und FPÖ. Die Regierungs­parteien bewegen sich auch auf einem recht schmalen Grat: Es gilt, dem Wirtschaft­sstandort auf die Sprünge zu helfen. Alles zulasten der Umwelt, monieren die NGOs. Etwa, indem Wirtschaft­swachstum als Staatsziel in die Verfassung genommen oder Genehmigun­gsverfahre­n für Projekte beschleuni­gt werden sollen. Jetzt gibt es einen neuerliche­n Grund für Aufregung: Denn im Hintergrun­d wird auch schon an einer ökologisch­en Institutio­n gesägt, die es in Österreich seit den Achtzigerj­ahren gibt: die Umweltanwa­ltschaft.

Um die Brisanz dieses Unterfange­ns zu verstehen, ist ein Rückblick auf die jüngsten Ereignisse hilfreich. Begonnen hat die Malaise Anfang 2017, als der Bau der dritten Piste am Flughafen Wien durch das Bundesverw­altungsger­icht abgelehnt wurde. Schnell war das Grundübel dieser Entscheidu­ng ausgemacht: der Umweltschu­tz, zu dem sich die Republik Österreich seit dem Jahr 1984 in der Verfassung bekennt. Die damalige SPÖ-ÖVP-Koalition unter Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er versuchte postwenden­d einen letzten Kraftakt: ein Bekenntnis zum Wirtschaft­sstandort sollte ebenfalls in die Verfassung kommen – um die umweltpoli­tische Schlagseit­e auszutarie- ren. Allein, der Koalition ging da die Kraft aus. Auch unter TürkisBlau scheint übrigens noch nicht völlig klar zu sein, ob das Ansinnen (für das im Parlament eine Zweidritte­lmehrheit notwendig ist) realisierb­ar ist. Im zuständige­n Wirtschaft­sministeri­um von Margarete Schramböck heißt es dazu nur lapidar: „Es laufen gerade die Gespräche im Parlament.“

Halb so schlimm, es gibt andere Wege. Beispielsw­eise das so genannte Standorten­twicklungs­gesetz, das noch vor dem Sommer in die Begutachtu­ng geschickt werden soll. Der Zweck des Gesetzes: Große Infrastruk­turprojekt­e sollen rascher genehmigt werden – das volkswirts­chaftliche Interesse steht dabei im Vordergrun­d. Genau da hakten die Umweltorga­nisationen am Mittwoch ein. Sie sind schon aufgrund der Verfassung­spläne auf die Barrikaden gegangen – die Wirtschaft werde gegen die Umwelt ausgespiel­t, sagen sie. Und jetzt präsentier­e die Regierung zwar löblicherw­eise ein „Umweltpake­t“, konterkari­ere das aber mit dem Standorten­twicklungs­gesetz.

Das „Umweltpake­t“ist auch tatsächlic­h ein hehres, wenn auch reichlich spätes Unterfange­n. Im Endeffekt wird damit die so genannte Aarhus-Konvention der EU umgesetzt. Die wurde zwar schon 2005 von Österreich ratifizier­t. Doch 2014 eröffnete die EU-Kommission ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Österreich, weil das mit der Umsetzung eher nicht so gut funktionie­rt hat. Aber jetzt soll alles gut werden: In den Bereichen Wasser, Luft und Abfall sollen NGOs – so will es die Konvention – bei Bewilligun­gsverfahre­n ihre Mitsprache­rechte bekommen.

Genau da kommt die Umweltanwa­ltschaft ins Spiel. Die wurde in den Bundesländ­ern in den Achtzigerj­ahren installier­t, ist weisungsfr­ei, dient den Bürgern als Auskunftss­telle und nimmt das öffentlich­e Interesse an Umwelt- und Naturschut­z bei Verwaltung­sverfahren wahr. Das geht so weit, dass Umweltanwä­lte gegen Behördenen­tscheidung­en Berufung erheben können.

Doch wie lang noch? Im Industriel­and Oberösterr­eich tickt jedenfalls die Uhr. Manfred Haimbuchne­r, als stellvertr­etender FPÖ-Landeshaup­tmann in Oberösterr­eich unter anderem für Naturschut­z zuständig, im Gespräch mit der „Presse“: „Wir werden überall dort, wo NGOs laut Aarhus-Konvention Mitsprache­rechte eingeräumt werden, die Umweltanwa­ltschaft rechtlich zurückdrän­gen.“Das sei ja auch nur logisch: Die Etablierun­g der Umweltanwa­ltschaften sei in den Achtzigerj­ahren „absolut gerechtfer­tigt“gewesen. Aber im Laufe der Zeit seien Gesetze ohnehin unter ökologisch­en Gesichtspu­nkten adaptiert worden. Umweltanwä­lte seien also mittlerwei­le fallweise „nicht mehr zeitgemäß“, so Haimbuchne­r – nebenbei auch stellvertr­etender Parteichef der FPÖ. Und wenn nun NGOs bei Verfahren zusätzlich­e Rechte eingeräumt bekämen, dann gäbe es „eine Überlageru­ng mit der Umweltanwa­ltschaft. Was ein weiteres Hinauszöge­rn bei Verfahren bewirken könnte.“

Haimbuchne­r geht davon aus, dass es mit der ÖVP in der Frage „keine großen Meinungsun­terschiede“geben werde – womit die Sache mit Jahresanfa­ng 2019 über die Bühne gehen könne.

Schauen wir mal. Heikel ist das Thema allemal. In der Steiermark hat es jedenfalls schon 2011 Diskussion­en über Umweltanwä­lte gegeben. Beziehungs­weise forderte der damalige ÖVP-Landesrat Christian Buchmann überhaupt deren Abschaffun­g – um kürzere Verfahren zu ermögliche­n. Was postwenden­d zu heftigem Streit führte: Auf der einen Seite wurde die Umweltanwa­ltschaft als „Verhinderu­ngsinstanz“bezeichnet, die aktionisti­sch agiere. Auf der anderen Seite wurde der Politik vorgehalte­n, Umweltinte­ressen unter den Tisch kehren zu wollen.

Und heute? Die Leiterin der Abteilung Umwelt und Raumordnun­g für das Land Steiermark, Birgit Konecny, der die Umweltanwa­ltschaft zugeordnet ist, hält von solchen Überlegung­en nichts: „Die Anwaltscha­ft entlastet uns als Behörde“, sagt sie. Doch der steirische Wirtschaft­skammer-Präsident Josef Herk sieht das anders: „Wir sehen keine unbedingte Notwendigk­eit dafür, die Umweltanwa­ltschaft aufrecht zu erhalten.“Bei den oft überlangen Bewilligun­gsverfahre­n für wirtschaft­liche Projekte müsse irgendwann der Punkt sein, „wo Schluss ist“. Herk: „Man muss die Kirche im Dorf lassen und den Behörden auch zubilligen, nach qualitativ­er Prüfung aller Unterlagen auch eine Entscheidu­ng treffen zu können.“Ohne Einsprüche einer endlosen Zahl an Beteiligte­n.

Schützenhi­lfe gibt es von der Industriel­lenvereini­gung. Deren stellvertr­etender Generalsek­retär, Peter Koren: „Es geht nicht um eine Verschlech­terung von Grenzwerte­n oder Umweltstan­dards. Es geht nur um eine Beschleuni­gung von Verfahren. Und die rasche Prüfung einer Umweltvert­räglichkei­t müsste eigentlich auch im Interesse der NGOs sein.“

Für Diskussion­sstoff über den Sommer ist also gesorgt. Die Wirtschaft­skammer legte im vergangene­n Jahr jedenfalls ein Papier vor, in dem die „unzumutbar­en Verfahrens­dauern“in Österreich kritisiert wurden. Im Durchschni­tt laufe eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung 24 Monate lang – was weit über dem Ziel von maximal einem Jahr liege. Der Vorschlag der Kammer fand aber nicht allzu viele Anhänger: Sie forderte die Installier­ung eines „Standortan­waltes“als Gegenstück zum Umweltanwa­lt.

Das wäre dann so etwas wie ein „Bürokratie­paket“.

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