Die Presse

Auch in Libyen tickt die Ölpreisbom­be

Öl. Die staatliche Ölgesellsc­haft hat die Kontrolle über wichtige Häfen verloren. JP Morgan warnt vor einer Preisexplo­sion.

- VON MATTHIAS AUER

Mustafa Sandalla ist um seinen Job derzeit nicht zu beneiden. Der Libyer ist Vorstandsv­orsitzende­r der staatliche­n Nationalen Oil Company (NOC) – und verliert gerade Schritt für Schritt Teile der Ölinfrastr­uktur des Landes. Diese Woche haben Regierungs­gegner wichtige Ölhäfen im Osten Libyens unter ihre Kontrolle gebracht, eine alternativ­e NOC East gegründet und den eigenmächt­igen Export von Erdöl angekündig­t.

Libyen sitzt zwar auf den größten Rohölreser­ven in Afrika, sieben Jahre an bewaffnete­n Konflikten um die Bodenschät­ze haben die Ölprodukti­on aber stark in Mitleidens­chaft gezogen. „Wir sind zuversicht­lich, dass es der NOC East nicht gelingen wird, Erdöl zu exportiere­n“, sagte Sandalla Freitag am Rande des ersten libysch-europäisch­en Öl- und Gasgipfels in Wien.

Er baut dabei auch auf die Verbündete­n im Westen. Sowohl die USA als auch die EU haben bereits angekündig­t, jeden Versuch, den libyschen Ölhandel außerhalb internatio­nal anerkannte­r Kanäle abzuwickel­n, zu bekämpfen. Alle bewaffnete­n Akteure hätten sich unverzügli­ch von den Ölförderan- lagen zurückzuzi­ehen, bevor weiterer Schaden entstehe.

Das jüngste Aufflammen der Konflikte trifft das Land hart. Die libysche Wirtschaft ist vom Erdölverka­uf abhängig. Die Kämpfe der vergangene­n Wochen haben die Branche rund 450.000 Fass Erdöläquiv­alent pro Tag gekostet. Derzeit würden in Libyen etwa 700.000 Fass Erdöl am Tag aus der Erde gepumpt, so Sandalla.

Das Timing ist auch schlecht für die heimische OMV. Lange Zeit war Libyen ein wichtiger Produktion­sstandort des Mineralölk­onzerns. Gut ein Zehntel der gesamten OMV-Produktion kam früher aus dem nordafrika­nischen Land. Die Eskalation der Konflikte zwang die OMV, die Produktion ab 2011 sukzessive zurückzufa­hren. Erst im Vorjahr feierte das Unternehme­n seine Rückkehr nach Libyen. Noch halten die Österreich­er an ihrem Ausblick fest: Sie wollen heuer wie schon 2017 rund 25.000 Fass Erdöl aus dem libyschen Boden holen. Eine finale Beurteilun­g, wie sehr der Verlust der Ölhäfen diesem Plan schaden könnten, traute sich der Konzern am Freitag nicht zu.

An den Märkten sind die Auswirkung­en der drohenden Exportrück­gänge unterdesse­n schon sichtbar. Der Rohölpreis ist seit Jahresbegi­nn um 20 Prozent gestiegen, in dieser Woche legte er noch einmal um fünf bis sieben Prozent zu.

Dabei hatte die Opec erst vergangene­n Freitag angekündig­t, die Produktion um eine Milliarde Fass am Tag zu erhöhen, um den Preis etwas zu dämpfen. Angesichts des drohenden Ölembargos gegen den fünftgrößt­en Produzente­n Iran und der angespannt­en Situation in Libyen sei das nur sehr schwer zu schaffen, schreibt JP Morgan in einer aktuellen Analyse. Sollte die Opec die Angebotslü­cke nicht schließen können, dürfte der Ölpreis auf hundert Dollar steigen, erwartet das Geldhaus.

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