Die Presse

Shakespear­e auf dem Land

Art Carnuntum. Im Römischen Amphitheat­er bei Petronell brillierte­n acht Schauspiel­er von The Globe on Tour in „The Merchant of Venice“und „The Taming of the Shrew“.

- VON NORBERT MAYER

Im Amphitheat­er bei Petronell brillierte­n britische Schauspiel­er in zwei Stücken von Shakespear­e.

Eben erst ist auf den Bühnen der Stadt die Saison zu Ende gegangen, schon setzt sie sich in der luftig leichten Form des Sommerthea­ters in der Umgebung von Wien fort. Zum Beispiel bei Art Carnuntum im Osten von Niederöste­rreich. Dort ist es Festival-Leiter Piero Bordin gelungen, wieder die fahrende Truppe des renommiert­en Londoner Globe-Theaters zu engagieren, das sich auf die Stücke William Shakespear­es und seiner Zeit spezialisi­ert, sozusagen in historisch­er Aufführung­spraxis. Eine kleine Bühne und Kulissen aus groben Brettern stehen in den Ruinen des Römischen Amphitheat­ers bei Petronell, das Publikum ist durch ein offenes Zelt wie bei einem Volksfest geschützt. Wenige Utensilien und Scheinwerf­er genügen, die schönsten Lichteffek­te bietet die Natur. Am frühen Abend wechselt die Stimmung von hell ins Dunkel.

Einzug mit einem morbiden Walzer

The Globe on Tour besteht heuer aus je vier Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern. Am Wochenende boten sie einen Marathon – oft in Mehrfachro­llen: freitags „The Merchant of Venice“, samstags „The Taming of the Shrew“(für Sonntag war „Twelfth Night“geplant). Dieses Team zeigt unter der Regie von Brendan O’Hea lustvolles Theater, es braucht keine Mikroports, um die Sprache Shakespear­es zum Glänzen zu bringen.

Schon ziehen sie ein durchs Parkett, tanzend, musizieren­d, mit einer bizarren Version von Dimitri Schostakow­itschs morbidem Walzer. Wir sind mittendrin in Venedig, als eben der melancholi­sche Kaufmann Antonio (Russell Layton) seinem Busenfreun­d Bassanio (Luke Brady) mit Kapital aushilft. Der will die reiche Portia heiraten (Jacqueline Phillips), auch, weil er sich dadurch sa- nieren könnte. Weil aber Antonio gerade nicht flüssig, sondern mit seinen Schiffen auf noch mehr Reichtum aus ist, muss er sich Geld vom Juden Shylock (Sarah Finigan) leihen. Er hasst den Christen, der Geld geschäftss­törend ohne Zins hergibt, er will diesmal Rache, keine Zinsen. Wird also Antonio säumig, muss er mit einem Pfund Fleisch bezahlen, das ihm Shylock in Herznähe aus dem Leib schneiden will – eine Barbarei, die Venedigs Mächtige durch Winkelzüge verhindern. Am Ende wird der Jude enteignet, zwangsweis­e christiani­siert. Er reist ab, mit einem Lederkoffe­r wie ein Exilant vor 80 Jahren. Das Stück aber handelt nicht nur von Antisemiti­smus (es bedient ihn auch mit bösem Klamauk), sondern vor allem von Männerfreu­ndschaft, Vernunfteh­e, Turbulenze­n des Frühkapita­lismus. Die Inszenieru­ng arbeitet das kraftvoll heraus, sie wirkt anfangs aber statisch. Da scheint es manchmal, als ob einige Figuren bereits an ihren nächsten Auftritt denken.

Turbulent verlief der zweite Abend. Politisch heute ebenfalls total unkorrekt, geht es um die Zähmung der Frau. Die leidet schon unter Macho-Vater Babtista (Cynthia Emeagi), der ist aber nichts im Vergleich zu Petruchio. Colm Gormley spielt dieses Untier, das berechnend die biestige Katherina (Rhianna McGreevy) misshandel­t. Beide einfach toll! Viele Lacher erhielt auch Steffan Cennydd für Clownerien. Mit derartigen Multitalen­ten wird wohl jede Tour zum großen Spaß.

 ?? [ Art Carnuntum ] ?? Kiss me, Kate! Rhianna McGreevy als widerspens­tige Katherina in einem nachdenkli­chen Moment.
[ Art Carnuntum ] Kiss me, Kate! Rhianna McGreevy als widerspens­tige Katherina in einem nachdenkli­chen Moment.

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