Keine Angst vor Techblase
Aktien. Technologieaktien zählen zu den Bestperformern der vergangenen Monate und könnten von einer Korrektur überdurchschnittlich stark getroffen werden. Dennoch spricht einiges für sie, nicht zuletzt die hohen Cash-Bestände.
Trotz der Sorge vor einer harten Korrektur spricht einiges für Technologieaktien.
Wien. Viele Anleger können sich noch gut an die Dotcom-Blase zu Beginn dieses Jahrtausends erinnern. Da man damals – berechtigterweise – annahm, dass das Internet die Welt verändern würde, wechselten Technologieaktien zu haarsträubenden Preisen den Besitzer. So musste man im Jahr 2000 für Aktien aus dem Technologieindex MSCI World Information Technology das 80-Fache des jährlichen Gewinns pro Aktie hinlegen. 1995, fünf Jahre vor der Übertreibung, waren Technologieaktien lediglich mit einem Kurs-GewinnVerhältnis (KGV) von 24 gehandelt worden – und waren damit ähnlich billig wie heute.
Bessere Wachstumsaussichten
Zwar ist der Technologiesektor damit teurer als der Gesamtmarkt mit einem durchschnittlichen KGV von 18, doch könnte das angesichts der höheren Wachstumsaussichten von Technologiefirmen durchaus gerechtfertigt sein.
Im Nachhinein weiß man, dass die Bewertung im Jahr 1995 durchaus angemessen war: Wer damals Technologieaktien mit einem durchschnittlichen KGV von 24 gekauft hätte, hätte heute – trotz des Platzens der Dotcom-Blase und trotz der Finanzkrise – sein Vermögen verzehnfacht. Wer hingegen breit in alle Branchen investiert hätte, hätte es nicht einmal auf eine Versechsfachung gebracht, auch wenn er zwischendurch weniger gute Nerven gebraucht hätte, weil es weniger stark nach unten ging.
Heute notieren die Nasdaq-Indizes sowie der MSCI World Information Technology wieder auf Allzeithochs. Manche Anleger finden das beunruhigend, zumal die Technologieaktien in den vergangenen Monaten und Jahren überdurchschnittlich stark gestiegen sind. Trotzdem sei die heutige Lage anders als vor 18 Jahren, meint Bernhard Spittaler, Fondsmanager bei der Schoellerbank.
Hohe Cash-Bestände
Anders als im Jahr 2000 sind die Unternehmen heute hoch profitabel. Das zeige auch der Blick auf die Nettokassa (Kassenbestand abzüglich Verschuldung gemessen an der Marktkapitalisierung), wie Spittaler in einem Analysebrief ausführt. Der IT-Sektor ist der einzige unter zehn Sektoren, der hier einen positiven Wert aufweist: Die IT-Firmen sitzen auf höheren Cash-Beständen, als sie Schulden haben. Für Zeiten steigender Zinsen sind das gute Voraussetzun- gen, auch kann ein Liquiditätspuffer in schwierigen Marktphasen nicht schaden.
Die starken Kursanstiege seien diesmal durch hohe Gewinnzuwächse gerechtfertigt, meint Spittaler: So konnten die IT-Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren ihre Gewinne verdoppeln, die übrigen Sektoren brachten es nur auf ein kleines Plus. Dazu komme, dass es im Tech-Sektor zahlreiche zukunftsweisende Trends gibt, die nur schwer ersetzbar seien, bereits zum täglichen Leben gehörten und zunehmend profitabel seien: Digitalisierung von Zahlungsströmen, digitales Marketing, Sicherheit im Netz, Cloud-Infrastruktur, künstliche Intelligenz, Online-Spiele, Roboter, autonomes Fahren und vernetzte Intelligenz zählten dazu. Fazit: „Nur weil ein Asset im Preis stark angestiegen ist, liegt nicht automatisch eine Übertreibung vor“, schreibt der SchoellerbankExperte.
Doch gilt das auch für die bei Anlegern sehr beliebten „FAANGWerte“(die Abkürzung steht für die Aktien des sozialen Netzwerks Facebook, des iPhone-Herstellers Apple, des Onlinehändlers Amazon, des Video-Streaming-Anbie- ters Netflix und des Suchmaschinenbetreibers Google)?
Denn einige von denen sind – zumindest gemessen am KGV – wirklich hoch bewertet. Amazon und Netflix (die allerdings beide nicht im MSCI Information Technology erfasst sind, sondern als Konsumgüterwerte gelten), haben dreistellige Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Auch Google-Mutter Alphabet liegt mit einem Wert von 30 (auf Basis der Gewinne der letzten zwölf Monate) über dem Schnitt.
Risiko Regulierung
Doch können sich derlei Bewertungen schnell ändern, wenn die Gewinne entsprechend steigen. Als Facebook vor sechs Jahren an die Börse ging, hatte es ebenfalls ein dreistelliges KGV, was viele Warner auf den Plan rief. Inzwischen hat sich der Kurs verfünffacht, trotzdem kostet die Aktie nicht einmal mehr das 30-Fache des Gewinns der vergangenen zwölf Monate.
Von den jüngsten Börsenrückschlägen, die durch die Ängste vor einem sich zuspitzenden Handelskrieg ausgelöst wurden, wurden die Technologiewerte im Schnitt allerdings etwas stärker getroffen als der Gesamtmarkt. Von Zöllen wären die global agierenden Konzerne kaum betroffen. Wohl aber von wachsenden Regulierungsbestrebungen, wie Pimco-Chefökonom Joachim Fels kürzlich im Interview mit der „Presse“warnte.
Und in Rezessionszeiten neigen Unternehmen dazu, als erstes bei der Werbung zu sparen. Das könnte diesmal auch Google oder Facebook treffen. „Bei der Onlinewerbung ist es bisher noch nie zu Kürzungen gekommen, weil dieser Bereich insgesamt so stark gewachsen ist“, sagt Jakob Frauenschuh, Direktor des Asset-Managements der Schoellerbank. „Doch irgendwann kann es passieren, dass man auch da kürzt.“Momentan sei allerdings keine Rezession in Sicht.
Risiko Marktkorrektur
Im Fall einer scharfen Korrektur auf dem Aktienmarkt könnte es freilich passieren, dass Anleger sich am schnellsten von jenen Papieren trennen, die sie zuvor am stärksten gekauft haben. Und das wären die Technologiewerte. „Am Geschäft der Unternehmen würde sich dadurch aber nichts ändern“, sagt Frauenschuh. Tech-Giganten wie Google, Facebook, Microsoft, Cisco oder Intel verfügten über solide Bilanzen und vielversprechende Geschäftsmodelle. Zwischenzeitliche Kursrückgänge könne man zum Nachkauf nutzen.