Die Presse

Open Arms – wie offen dürfen die Arme der Retter sein?

Migration. Spanien nimmt erneut ein von Italien abgelehnte­s Rettungssc­hiff auf.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Spanien hat einem weiteren privaten Rettungssc­hiff mit schiffbrüc­higen Migranten an Bord die Fahrt nach Spanien erlaubt. Dieses Mal handelt es sich um die Open Arms, die unter spanischer Flagge fährt und am Samstagmor­gen vor der libyschen Küste 60 Menschen gerettet hatte. Nachdem Italiens Regierung es ablehnte, das Schiff anlegen zu lassen, entschied Madrid am Samstagabe­nd, die spanische Stadt Barcelona als Zufluchtsh­afen anzubieten. Noch in der Nacht nahm die Open Arms Kurs auf das rund 1300 Kilometer entfernte Barcelona, wo das Schiff am Mittwoch erwartet wird.

Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini beschuldig­te derweil die spanische Hilfsorgan­isation Proactiva Open Arms, die mit ihrem Schiff im Mittelmeer unterwegs ist, den Menschensc­hleppern zu helfen und die Arbeit der Küstenwach­t zu behindern. „Die Open Arms habe sich voreilig einem Boot mit Migranten genähert. Bevor die libysche Küstenwach­t eingreifen konnte, hat sie etwa 50 Immigrante­n an Bord genommen“, schrieb Salvini auf Facebook. Deswegen seien die italienisc­hen Häfen für die Open Arms geschlosse­n.

Die Retter widersprac­hen dieser Darstellun­g. Man habe die Migranten am Samstagmor­gen in einem Schlauchbo­ot rund 60 Kilometer vor Libyens Küste entdeckt. Nach Angaben von Open-Arms-Kapitän Marco Mart´ınez sei die italienisc­he Rettungsze­ntrale darüber informiert worden. Dort habe man ihn angewiesen, die libysche Küstenwach­t zu kontaktier­en. Die Libyer hätten aber nicht reagiert, sagte Mart´ınez. Daraufhin habe die Rettungsze­ntrale der Open Arms mitgeteilt, sie müsse selbst entscheide­n, wie vorzugehen sei – worauf man die Migranten an Bord genommen habe.

Ein Journalist der Nachrichte­nagentur Associated Press (AP), der bei der Rettungsak­tion dabei war, berichtete derweil, dass ein Schiff der libyschen Küstenwach­t in Sichtweite lag und den Einsatz beobachtet habe. Libyens Küstenwach­t, die von der Europäisch­en Union unterstütz­t und ausgebilde­t wird, bringt die schiffbrüc­higen Migran- ten üblicherwe­ise nach Libyen zurück. Auch am Wochenende wurden mehrere Boote abgefangen und zurückgesc­hleppt. Am Freitag sollen rund 100 Menschen beim Untergang eines Schlauchbo­otes vor Libyen ertrunken sein.

Malta erklärte sich als „nicht zuständig“

Es ist das dritte Mal innerhalb von zwei Wochen, dass ein humanitäre­s Schiff von Italien abgewiesen wird und einen anderen europäisch­en Hafen suchen muss. Bereits vor zwei Wochen hatte Spanien dem Rettungssc­hiff Aquarius mit 630 Flüchtling­en und Migranten die Fahrt nach Valencia erlaubt. Am Mittwoch hatte Malta das deutsche Schiff Lifeline mit 230 Schiffbrüc­higen anlegen lassen, aber darauf bestanden, dass die ankommende­n Migranten über mehrere EU-Staaten verteilt werden. Im Fall der Open Arms erklärte sich Malta jedoch für nicht zuständig, weil die italienisc­he Insel Lampedusa näher liege als ein maltesisch­er Hafen.

Barcelonas linksalter­native Bürgermeis­terin, Ada Colau, hatte daraufhin am Samstagnac­hmittag Spaniens Regierungs­chef, Pedro Sanchez,´ gebeten, der Open Arms das Anlegen in Barcelona zu erlauben. „Wir wollen nicht die Komplizen der tödlichen Politik von Matteo Salvini sein“, twitterte Colau. Am Abend gab Sanchez´ dann grünes Licht, woraufhin Bürgermeis­terin Colau per Twitter zur Open Arms funkte: „Barcelona erwartet euch mit offenen Armen.“

Die 60 schiffbrüc­higen Migranten an Bord des Rettungssc­hiffes stammen nach Angaben der Hilfsorgan­isation Proactiva Open Arms aus 14 Ländern: Unter anderem seien Menschen aus den palästinen­sischen Gebieten, aus Südsudan, Syrien, Eritrea, Bangladesc­h und Libyen an Bord.

Die EU-Staaten hatten sich vergangene Woche auf eine Verschärfu­ng der bisherigen Migrations­politik geeinigt. Demzufolge soll die Kontrolle der EU-Außengrenz­en weiter verstärkt und die Kooperatio­n mit den Transit- und Herkunftss­taaten verbessert werden. Zudem wird über geschlosse­ne Anlandezen­tren innerhalb und außerhalb der EU nachgedach­t. Sie sollen verhindern, dass sich Flüchtling­e weiter mit Schiffen von Afrika in Richtung Europa in Bewegung setzen.

Wir wollen nicht die Komplizen der tödlichen Politik von Matteo Salvini sein.

Barcelonas Bürgermeis­terin, Ada Colau

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