Die Presse

Besuch im kleinen braunen Österreich

Der „Spiegel“begab sich auf eine zehnseitig­e Spurensuch­e durch das neue rechte Österreich und traf dafür relevante Darsteller.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

E s ist ein altes Bonmot unter Journalist­en: Zu viel Recherche zerstört jede Geschichte. Wer zu viele Menschen befragt, hört zu viele Meinungen, kann die angedachte These eines journalist­ischen Stückes nicht verifizier­en. Der Beitrag zeigt womöglich ein differenzi­ertes Bild und liefert im schlimmste­n Fall Grautöne. Obwohl doch Schwarz und Weiß die medialen Modefarben unserer Zeit sind.

Im deutschen „Spiegel“wissen die Kollegen das alles und vermieden es, akribisch anderslaut­ende Meinungen oder Aussagen zu ihrem Österreich-Text „Auf dem rechten Weg“einzuholen. Für den exzellent blumig geschriebe­nen Text („Weiter hinten in den Hochalpen, in diesem ganzen geologisch­en Spektakel namens Österreich, heben sich, wenn die Nächte kommen, Gipfel und Kuppen bald wie Tierköpfe ab, wie monströse Leiber, an deren Flanken die Dörfer stecken wie weihnachtl­icher Schmuck.“) traf Ullrich Fichtner 30 „Zeitzeugen und Zeitgenoss­en“Österreich­s zur demokratie­politisch prekären Lage im Land.

Nicht alle der 30 Gesprächsp­artner wurden genannt, dafür Journalist­en und Schriftste­ller, deren politische Meinungen selten voneinande­r abweichen, die einander alle gut kennen und schätzen. Nicht so die Bundesregi­erung und am allerwenig­sten den Bundeskanz­ler.

Die zweite befragte Gruppe waren vorwiegend lokale FPÖ-Politiker, die sich bemühten, allen Rechtsextr­emen-Klischees zu entspreche­n. Sonderbare­rweise ließ der Autor den Besuch bei den UltraFans nach dem Wiener Derby ebenso aus wie ein Treffen mit den Überlebend­en des Kärntner Kameradsch­aftsbundes, die Adolf Hitler noch lebend, aber von slowenisch­en Partisanen in den slowenisch­en Bergen gefangen gehalten, wähnen.

Die politische Ausgangsla­ge ist für den „Spiegel“einfach und klar: „Am Werk ist nun eine Koalition, die sich eine ,türkis-blaue‘ nennt, die aber nach der gültigen Farbenlehr­e der Politik mit ,schwarzbra­un‘ doch viel zutreffend­er bezeichnet wäre. Die Zweifel begannen gleich am ersten Tag der Kanzlersch­aft des Sebastian Kurz, eines 31-jährigen Kleinbürge­rsohns aus Wien mit dem Gesicht eines milden Apostels. [. . .] Er entschied sich aber gegen ein Bündnis mit moderaten Linken und Linksliber­alen und ließ sich lieber mit den harten Rechten und Rechtsextr­emen der sogenannte­n Freiheitli­chen Partei ein, die als FPÖ in ganz Europa für ihren rustikalen bis rechtsextr­emen Populismus bekannt ist.“

Ein Bündnis mit moderaten Linken und Linksliber­alen? Das ist neu, Christian Kern, der Moderate, wollte nicht; die Linksliber­alen sollen wohl die Neos sein, die zwar wollten, aber mit der SPÖ nicht gebraucht worden wären. Und war da nicht was mit rot-blauen Gesprächen und Landeskoal­itionen? Nein! Schnell weg die Gedanken.

Österreich sei mit seiner Geschichte nicht im Reinen, heißt es da auch. Das sieht das offizielle Israel, wie bei vergangene­n Staatsbesu­chen dort zu hören war, übrigens ganz anders. Aber auch das würde den Artikel nur stören. S päter weiter: „Verhandelt wird, ob sich unser Nachbar- und liebstes Urlaubslan­d Stück für Stück vom demokratis­chen Way of Life verabschie­det.“Österreich verabschie­det sich mit einem demokratis­chen Wahlergebn­is vom demokratis­chen Way of Life? Das widerspieg­elt ein interessan­tes Verständni­s von Demokratie.

Apropos Spiegel: Der Autor trifft unter anderen „Falter“-Kollegen Florian Klenk. Der sagt im Restaurant Zum Schwarzen Kameel bei Marmeladep­alatschink­en: „Urteile über Österreich sind schwer, weil man nie weiß, woran man ist. Es ist wie mit diesen Nischen hier, mit den Spiegeln. Wenn einer vorbeigeht, sieht man ihn von vorn im Spiegel, obwohl er in Wahrheit von hinten kommt. Und kommt einer von rechts, sieht man ihn zuerst im Spiegel links. So ist das bei uns. So geht’s zu.“So einfach.

Früher warfen neben Bernhard eine Elfriede Jelinek oder vielleicht ein Claus Peymann den harten kritischen Blick auf das provinziel­le, kleingeist­ige und mitunter böse Österreich. So sich die Geschichte wirklich einmal als Tragödie und dann als Farce abspielt, dann liefert der „Spiegel“nun seinen Anteil.

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