Nach Demo kommt Verkehrschaos
Arbeitszeit. Die Gewerkschaft bereitet weitere Aktionen gegen die Ausweitung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden vor. Am Montag sollen Betriebsversammlungen den Frühverkehr lahmlegen.
Mit der Großdemonstration am Samstag mit rund 100.000 Teilnehmern hat der ÖGB gezeigt, dass er beim Thema Arbeitszeit mobilisieren kann. Jetzt ist mit weiteren Aktionen der Gewerkschaft zu rechnen: Vor der geplanten Beschlussfassung am Donnerstag im Parlament und auch danach sind Protestmaßnahmen geplant.
Diese werden bereits am Montag empfindlich zu spüren sein: Es gibt zwar noch keinen Streik, aber die Gewerkschaft hält bei den ÖBB und beim Postbus zwischen sechs und neun Uhr in der Früh 200 Betriebsversammlungen ab, mit der Begründung, man müsse die Belegschaft über die Auswirkungen der geplanten Arbeitszeitregeln informieren. Der nicht ganz unbeabsichtigte Nebeneffekt: Diese Betriebsversammlungen werden den Morgenverkehr ganz empfindlich stören.
„Die ÖBB tun das Möglichste, um einen reibungslosen Verkehr aufrechtzuerhalten“, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Betriebsrat geht allerdings davon aus, dass es nicht nur zu Verspätungen, sondern auch zu Zugausfällen kommen werde. Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit – er ist gleichzeitig Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Vida – rechnet mit großem Interesse. Die Eisenbahner seien von den Änderungen gleich betroffen, wie Arbeitnehmer in allen anderen Betrieben. „Auch wenn Zwölf-Stunden-Schichten schon möglich sind, hat der Rest des Paketes unter anderem mit der 60-StundenWoche breiteste Auswirkungen“, so Hebenstreit.
Ebenfalls Betriebsversammlungen wird es am Montag in großen Industriebetrieben wie Voestalpine, Böhler, OMV und Andritz geben. Die Gewerkschaft Pro-Ge (ehemals Metaller-Gewerkschaft) fordert eine Volksabstimmung über den Zwölf-Stunden-Tag. Das will auch die neue Vorsitzende der Angestellten-Gewerkschaft (GPA), Barbara Teiber. Die Regierung habe den Schutzcharakter des Arbeitszeitgesetzes nicht verstanden, so Teiber in einer Aussendung. Den Regierungsparteien gehe es um die Zurückdrängung der betrieblichen Mitbestimmung.
Das sieht auch SPÖ-Chef Christian Kern so. Am Sonntag warnte er davor, dass das geplante Arbeitszeitgesetz verhindere, dass wie bisher Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden können. Damit würden auch bestehende Betriebsvereinbarungen auslaufen oder gestrichen werden. Kern beruft sich darauf, dass im Regierungsentwurf Paragraf sieben, Absatz vier des Arbeitszeitgesetzes gestrichen wird. Der regelte die bisher schon mögliche Ausweitung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden bei „vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“. Diese Betriebsvereinbarungen sahen meist eine besondere Abgeltung der Zusatzarbeit vor – was künftig eben nicht mehr notwendig sein wird.
ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer wies die Darstellung zurück: Es werde in keine bestehenden Vereinbarungen eingegriffen. Die ÖVP schießt sich unterdessen auf einen Gewerkschaftsfunktionär ein: Helmut Köstinger, Chef der Gewerkschaft der Postbedienste-
Am Donnerstag soll im Parlament das Arbeitszeitgesetz beschlossen werden. Dieses sieht eine Ausweitung der höchstzulässigen Arbeitszeit auf zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden die Woche vor. Die elfte und zwölfte Stunde soll entgegen ursprünglichen Plänen nur freiwillig geleistet werden können. Arbeitnehmer dürfen die Mehrarbeit ohne Angabe von Gründen ablehnen. Die Gewerkschaft bezweifelt die Freiwilligkeit und warnt vor finanziellen Nachteilen und gesundheitlichen Gefahren. ten. Der hat bei der Demonstration am Samstag zu einem Sturz der „unsozialen Regierung“aufgerufen. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) zeigte sich am Sonntag empört und forderte die Arbeitnehmervertreter auf, die Ansage zurückzunehmen. Aufrufe zum Sturz der Regierung hätten in einer Demokratie nichts verloren und stellten eine massive Grenzüberschreitung dar.
Allerdings dürfte man auch im ÖGB wenig Freude mit der Aussage des Postgewerkschafters haben: Schon am Samstag hatte sich Christgewerkschafter Norbert Schnedl vom Aufruf Köstingers distanziert. Und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hob extra hervor, dass der Gewerkschaftsbund jede demokratisch legitimierte Regierung akzeptiere – freilich mit dem Nachsatz, dass das nicht automatisch für deren Maßnahmen gelte.