Die Presse

Zwischen Schauspiel und höchster Fußballkun­st

WM-Achtelfina­le. Brasiliens Erfolge hängen zwar nicht nur von den Pässen und Toren Neymars ab, das Spiel der Sele¸c˜ao ist aber zweifelsoh­ne von der Lichtgesta­lt abhängig. Und in diesem Punkt wittert Mexiko seine große Chance.

- BRASILIEN

Sotschi. Neymar ist gut drauf, was soll also jetzt noch schiefgehe­n? Der Superstar der Brasiliane­r lacht ausgelasse­n wie noch nie bei dieser WM in Russland. Er postet Videos und Fotos mit seinem kleinen Sohn, der sogar beim Training der Selec¸ao˜ mitkicken durfte.

Vor dem heutigen Achtelfina­le des fünfmalige­n Rekord-Weltmeiste­rs gegen Mexiko kommt der 26-Jährige auch fußballeri­sch immer besser in Form. Er sei ein Spieler „von einer anderen Welt“, sagt etwa Casemiro: „Kein Zweifel, Neymar kann ein Spiel in jedem Moment verändern.“Auf dem Weg zum sechsten WM-Titel, der „Hexa“-Mission, könnte es beim teuersten Fußballer der Geschichte kaum besser laufen.

Vielleicht hat Neymar tatsächlic­h eines verstanden. Anders als bei den ersten beiden WM-Spielen gegen Schweiz (1:1) und Costa Rica (2:0) war er zuletzt gegen Serbien (2:0) nicht nur durch schau- spielerisc­he, sondern auch durch fußballeri­sches Geschick aufgefalle­n. Nach seiner mehrmonati­gen Verletzung­spause nähert sich der PSG-Angreifer seinem gewohnten Niveau. „Der beste Neymar“, titelte Brasiliens größte Mediengrup­pe Globo auf ihrer Internetse­ite.

„Er übertreibt halt gern“

Es fehlt zumindest nicht mehr viel bis dahin. Mexiko soll für den 222-Millionen-Euro-Stürmer lediglich der nächste Zwischenst­opp auf dem Weg zum goldenen WM-Pokal sein. Aber so gut die Stimmung bei der Selec¸ao˜ scheint, man gibt sich demütig. „Das Trikot gewinnt keine Spiele. Das sehen wir am Beispiel Deutschlan­ds“, erklärte Casemiro. Daher wollten er und seine Teamkolleg­en sich nicht davon beeinfluss­en lassen, dass man als Favorit gelte. „Wir müssen unseren besten Fußball spielen, um Mexiko zu schlagen. Mit dem „besten Neymar“. . .

Angst macht die aufsteigen­de Formkurve des Superstars den Mexikanern keine. Natürlich kenne er Neymar, meinte Kapitän Andres´ Guardado, aber es obliege ihm ja nicht, ihn zu beurteilen. Er machte es dann aber doch. „Wir wissen, dass es ihm gefällt, zu übertreibe­n, sich oft fallen zu lassen. Das ist sein Spielstil“, meinte der 31-Jährige. Es sei die Aufgabe der Schiedsric­hter, dies zu ahnden.

Cantonas neuer Koffer

Frankreich­s Ex-Teamspiele­r E´ric Cantona hat für Neymar und seine ausgefalle­nen Frisuren jedenfalls nichts übrig. Nachdem er vor einigen Tagen zunächst den „Spaghetti-Schnitt“aufs Korn nahm, gab er in einem weiteren Internetvi­deo einem gelben Rollkoffer den Namen Neymar. Diesen müsse man nur leicht berühren, trotzdem drehe er sich dann wie wild.

Neymar wird auch im Anschluss an das Spiel gegen die Mexikaner die Schlagzeil­en in seiner Heimat bestimmen. Er wird daran gemessen werden, worauf sich diese Schlagzeil­en beschränke­n. Konzentrie­rt sich der 26-Jährige auf sein Spiel, zählt er zu den besten Spielern der Welt. Macht er das nicht, kann er schnell zu einem der nervigsten werden. Auch Teamchef Tite gefällt diese Theatralik keineswegs. Öffentlich kritisiere­n würde der Coach seinen Star jedoch nie. Der 57-Jährige hat es geschafft, die Abhängigke­it der Selec¸ao˜ von ihrer Lichtgesta­lt zu verringern – und ihn trotzdem unverzicht­bar zu machen. Tite weiß: Egal, wie das Spiel verläuft und egal, wie oft Neymar hinfallen wird, und das wird er: Den Unterschie­d kann er immer ausmachen.

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