„Garra charrua“: Uruguay huldigt seinem Geist
WM-Achtelfinale. Der 2:1-Sieg gegen Portugal ist vor allem ein Verdienst des Stürmers Edinson Cavani, Für das Viertelfinale bangt La Celeste jedoch um den Einsatz des Paris-Stars – just gegen Frankreich droht der Angreifer auszufallen.
Sotschi. „Garra charrua“, Uruguays legendärer Kampfgeist, ist zurück im Fußball-Rampenlicht. Zwar machte der „doppelte“Edinson Cavani beim 2:1-Triumph über Europameister Portugal im WM-Achtelfinale den Unterschied aus. Coach scar Tabarez´ wurde aber nicht müde, die mentale Stärke des Kollektivs zu betonen: „Das Besondere der Partie war die Hingabe, die die Spieler gezeigt haben. So sehen wir Fußball.“
Zeigt der zweifache Weltmeister von 1930 und 1950 im Viertelfinale am Freitag eine ähnlich geschlossene Mannschaftsleistung, steht auch Titelmitfavorit Frankreich vor einer hohen Hürde. „Ich will weiter träumen“, sagte Cavani.
Der Stürmer von Paris SG muss allerdings um seinen Einsatz gegen Les Bleus bangen. In der 74. Minute des Portugal-Spiels humpelte der 31-jährige Legionär angeschlagen vom Platz. „Ich habe etwas in der Wade gespürt“, sagte Cavani. Tabarez´ äußerte sich besorgt. „Wir müssen abwarten, wie es sich entwickelt. Es ist noch unklar, wie ernst es ist.“
Sicher kein „schönes Spiel“
Sollte Cavani ausfallen, wäre das für Uruguay ein überaus herber Verlust. Schon in der SüdamerikaQualifikation war Cavani mit 10 Treffern noch vor Argentiniens Lionel Messi (7) am erfolgreichsten, in Uruguays Nationalteam ist Frankreichs aktueller Liga-Torschützenkönig mit 43 Treffern hinter seinem Teamkollegen Luis Sua-´ rez (53) mit 43 versenkten Bällen auf Rang zwei. „Aufregend, es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Ich hoffe, wir können es noch weiter schaffen“, meinte Cavani nach seinem Galaauftritt gegen Portugal.
Für Cavani wäre das nichts ganz Neues. So wie Suarez,´ Tormann Fernando Muslera, Abwehrchef Diego Godin und Außenverteidiger Martin Caceres gehörte er auch zum Stamm jener uruguayischen Auswahl, die bei der WM 2010 in Südafrika auf Platz vier landete. Das nicht einmal 3,5 Millionen Einwohner zählende Land, das neben zwei WM-Titeln auch fünf Halbfinalteilnahmen aufzuweisen hat und als Copa-America-´ Rekordsieger figuriert, ist auf bestem Wege, einmal mehr ein Topresultat zu erreichen.
Auch am Samstag wurde klar: Für Tabarez´ liegt der Schlüssel zum Erfolg nicht im „schönen Spiel“. Portugal dominierte mit 61 Prozent Ballbesitz, spielte mehr als doppelt so viele Pässe wie Uruguay und verzeichnete mehr als dreimal so viele Schussversuche. Die bestens disponierte Defensive ließ sich nur nach einem Standard aushebeln. Sonst gab es kein Durchkommen. „Es gibt im Fußball keine moralischen Siege. Ich hätte lieber schlechter gespielt, aber gewonnen“, sagte Portugals-Coach Fernando Santos lapidar.
Ballbesitz ist kein Gütesiegel
„Es war schwierig. Portugal hat mehr Ballbesitz gehabt, und wir waren of in unserer eigenen Hälfte. Es wäre für uns besser gewesen, mehr am Ball zu sein und näher an ihrem Tor zu spielen“, meinte der längstdienende sowie mit 71 Jahren älteste Teamchef dieser WM. Es gehe aber eben auch so. „Es gibt die irrige Annahme, dass Ballbesitz zu Einschussmöglichkeiten führt“, erklärte er. „Ich habe das in Italien gelernt. Dort ist der Ballbesitz nicht so heilig wie anderswo. Auch wenn du nicht viel Ballbesitz hast, kannst du deinem Gegner wehtun“, betonte Tabarez, zwischen 1994 und 1999 als Trainer von Cagliari bzw. auch Technischer Kurzzeit-Direktor des AC Milan.
Der Erfolg gibt Oscar Tabarez,´ einem ehemaligen Lehrer, der aufgrund einer Nervenkrankheit nur auf Krücken gestützt zur Trainerbank kommt, recht. Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit 2006 hat Uruguay bei der WM 2010 Platz vier, 2014 das Achtelfinale und nun zumindest das Viertelfinale erreicht. (fin)