Die Presse

Bart Simpson und das Bitcoin-Blutbad

Krypto. Bitcoin zeigt, wie neue Technologi­en sich etablieren: Zuerst kommt der Hype, dann die Enttäuschu­ng – und irgendwann setzt die Realität ein. Aktuell muss Bitcoin durchs Tal der Tränen.

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Auch wenn alles scheitert, auch wenn Bitcoin und alle Kryptowähr­ungen wieder verschwind­en sollten, etwas wird bleiben: die kreativen Wortkreati­onen. Dank eines Tippfehler­s aus einem Forum-Beitrag hat Bitcoin schon die englische Sprache geändert. Aus dem altmodisch­en „buy and hold“wurde ein zeitgemäße­s „HODL!!1!“. Das funktionie­rt auch als Hashtag. Als nächstes geht die Bitcoin-Community jetzt die gute alte Charttechn­ik an. Ja, Fibonacci und Elliott-Wellen sind auch im Kryptobere­ich beliebte Hilfsmitte­l. Aber derzeit dominiert alles der Bart. Bart Simpson nämlich. Seit Wochen zeichnet der Bitcoin-Kurs immer wieder dessen Kopfform nach. Rasch rauf, zackig seitwärts, noch rascher wieder runter.

Ob diese Chartbilde­r natürlich sind oder von den großen BitcoinHal­tern, den „Whales“, durch Manipulati­onen in den Kurs gezeichnet werden? Man weiß es nicht. Nur das Endergebni­s kennen wir: Bitcoin hat nach seinem Hoch von rund 19.000 Dollar im Dezember mehr als 70 Prozent seines Werts eingebüßt. Wir haben diese Bub- ble, ihr Platzen und den Abverkauf in dieser Kolumne verfolgt. Wie hätten wir das auch verpassen können? So etwas Irres hat die Welt tatsächlic­h noch nie gesehen.

Jetzt können wir fragen: Wo stehen wir und wie geht es weiter? Vielleicht ist es ja leichter, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn die Preise nicht gen Himmel schießen. Wir sind im „Tal der Tränen“. Das ist keine Erfindung, sondern ein Ort, an den jede Innovation, jede bahnbreche­nde Erfindung sich einmal begeben muss. Und Bitcoin ist so eine Innovation. Es ist das erste sichere digitale Wertübertr­agungsprot­okoll.

Die Researchfi­rma Gartner hat für solche Sachen den „Hype-Zyklus“entwickelt. Ähnlich wie die technische Analyse in der Finanzwelt bietet der keine wissenscha­ft- liche Genauigkei­t – aber eine Krücke zum Verständni­s. Laut HypeZyklus haben wir bei Bitcoin zwei von fünf Stufen absolviert.

Am Anfang stand der technologi­sche Auslöser. Der lässt sich bei Bitcoin besser bestimmen als anderswo. Ausgelöst wurde alles durch das vor knapp zehn Jahren unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentl­ichte White Paper. In dieser ersten Phase kommt die Idee beim Fachpublik­um an. Das sind bei Bitcoin aber nicht die Ökonomen, sondern die Kryptograf­en und Informatik­er. Das haben wir lang hinter uns.

Auch erste Trittbrett­fahrer hat es schon anfangs gegeben. Litecoin, eine Kopie von Bitcoin mit höherer Transaktio­nsgeschwin­digkeit, gibt es seit Oktober 2011. In diesen Anfangsjah­ren tauchen auch die ersten Start-ups auf, die aus dem wachsenden Hype ein Geschäft machen wollen. Manche überleben. Etwa Coinbase, das im Sommer 2012 gegründet wurde. Hinter diesem und anderen Startups stehen wiederum VentureCap­ital-Firmen, deren Aufgabe es ja ist, früh in einen Hype zu inves- tieren. Weil Bitcoin durch seine Geldfunkti­on auch einen Preis hat und ein Markt entsteht, kommt es zu ersten Preisblase­n. Man kann die auch als Mini-Hype-Cycles verstehen. 30 Dollar, 100 Dollar, 1000 Dollar – bei jeder neuen Höchstmark­e werden die Medien kurz aufmerksam. Aber was sich Ende 2017 abspielt, stellt alles in den Schatten. Jetzt, da Bloomberg und CNBC eigene Krypto-Segmente einführen, kann man wirklich vom Massenmedi­en-Hype sprechen.

Kurz darauf beginnt die zweite Phase des Hype-Zyklus: der Gipfel der überzogene­n Erwartunge­n. Den haben wir bei 19.000 Dollar überschrit­ten. Das war eine echte Manie, in der Preisziele wie 100.000 oder 500.000 Dollar rausgehaut wurden, als sei es das Normalste auf der Welt. Auch die Trittbrett­fahrer haben profitiert: So genannte Altcoins wie Litecoin, Ethereum, Ripple oder Iota sind im Preis explodiert. Sie alle wollen noch besser, noch schneller, noch schöner als Bitcoin sein.

Aber dann setzt die Realität wieder ein. Jetzt, nach einem Fall von mehr als 70 Prozent bei Bitcoin, stellen wir fest: Es ist noch nicht einmal die Rolle und Zukunft der ersten und wichtigste­n Kryptowähr­ung geklärt. Bitcoin bleibt ein Hochrisiko­investment, das seinesglei­chen sucht. Und Altcoins sind so extrem, dass man ein neues Wort bräuchte. Harakiri-Investment vielleicht? Viele dieser sogenannte­n Alternativ­en haben seit dem Peak mehr als 90 Prozent ihres Werts eingebüßt. Ein Blutbad, aus dem einige nicht zurückkehr­en werden. Man kann es auch als notwendige Bereinigun­g sehen.

Bitcoin selbst befindet sich im Tal der Tränen. Wie lang, weiß niemand. Was wir jetzt sehen: Anleger und Medien wenden sich ab. Gleichzeit­ig gibt es aber neue Investment­s von Venture Capital. Start-ups werden gegründet. Etablierte Player steigen ein, die Infrastruk­tur wird verbessert. Am Ende des Tals kommt laut Hype-Zyklus der Pfad der Erleuchtun­g – auf dem Potenzial und Grenzen der neuen Technologi­e neu ausgelotet werden. Und irgendwann, wenn die Technologi­e etabliert ist, folgt das Plateau der Produktivi­tät – aber der Weg dorthin ist noch weit.

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