„Heute arbeite ich mehr für weniger Geld“
Interview. Er war bis April Managing Director bei der Unternehmensberatung Korn Ferry. Heute gehören Christoph la Garde 60 Prozent des Auktionshauses Kinsky. Eine risikoreiche Entscheidung. Ängste plagen ihn jedoch erstmals nicht.
Die Presse: Sie waren bis Ende März bei der Personalberatung Korn Ferry Geschäftsführer. Seit April sind sie 60-Prozent-Eigentümer und Geschäftsführer beim Auktionshaus Kinsky. Eine profunde Veränderung. Wie kam es dazu? Christoph la Garde: Nach meinem Studium bin ich eher zufällig in der Personalberatung gelandet. Die vergangenen 15 Jahre habe ich bei Korn Ferry gearbeitet, nachdem ich zuvor acht Jahre bei Neumann tätig und auch Geschäftsführer war. Das war ein Wechsel von der Bundesliga in die Champions League, bei dem ich alle meine Kunden verloren habe.
Wieso? Das Honorarniveau war bei Korn Ferry ein ganz anders, es war fünfmal so hoch, und auch der Zugang war ein ganz anderer. Zuvor war ich Generalist, bei Korn Ferry musste ich mich spezialisieren. Ich habe mich für die PharmaBranche entschieden und in dem Bereich dann sehr erfolgreich gearbeitet. Ein Pharmaunternehmen habe ich 2004 zu betreuen begonnen, mittlerweile ist es der größte Kunde von Korn Ferry weltweit.
Das klingt so, als hätte Ihnen das alles viel Spaß gemacht. Riesigen Spaß. Ich bin sehr gerne herumgeflogen, habe Tag und Nacht gearbeitet und tolle Führungskräfte und interessante Gesprächspartner kennengelernt.
Und Sie haben sicher gut verdient? Die letzten Jahre war meine Arbeit auch sehr gut bezahlt, damit habe ich auch verstärkt Kunst sammeln können. Das habe ich übrigens auch schon als Student gemacht, als ich gar kein Geld hatte. Ich war also immer schon ein leidenschaftlicher Sammler. Das hat mich dazu geführt, sehr viele Kunstmessen zu besuchen und zu Künstlern ins Atelier zu gehen, um eine andere Welt zu verstehen.
Wann hatten Sie denn Zeit dafür? Ich bin manchmal für eine halbe Stunde in die Albertina gegangen und habe mir immer wieder einen gelben Lucio Fontana angesehen. Ein anderes Beispiel: Einer meiner schönsten Conference-Calls hat im Kunsthistorischen Museum, umringt von William Turner, stattgefunden. Es war ein regnerischer November-Donnerstag um 10:30 Uhr, und außer mir war dort niemand. Das waren meine Freiräume, meine Oasen dazwischen, die mir unheimlich viel gegeben haben.
Was gibt Ihnen das Sammeln von Kunst? Sammeln ist eine Ersatzhandlung, wenngleich sich das niemand eingestehen will.
Ersatz wofür? Es ist ein Ausbrechen in ein zweites Leben. Mein eines Leben war das eines Beraters, in dem ich Potenziale von Menschen vorhergesehen und evaluiert habe. Ich habe Menschen laufend beurteilen müssen, das macht man dann auch im Privaten, und zwar ständig und sehr rasch. Ich scheine eine gute Gabe gehabt zu haben, hinter die Fassade zu schauen. Und dann gab es diese ganz andere Welt, die mich gereizt hat. Künstler sind ja ganz anders getaktet. Ich hatte Sehnsucht, meinen Horizont zu erweitern.
Die Potenziale von Managern konnten Sie schnell feststellen, die von Künstlern auch? Eben nicht. Ein Künstler muss ja niemanden managen, und die Künstlerpersönlichkeit, auf die man trifft, spiegelt sich nicht in seinem Werk wider. Die Krite- rien, die ich bei einem Manager heranziehe, sind beim Künstler irrelevant. Das Potenzial eines Künstlers findet sich weniger in seiner Person, sondern in seinen Bildern.
Na dann haben Sie Neuland betreten. Komplett. Ein absoluter Neustart. Während der Erfolg von Führungskräften vorhersehbar ist, kann man den von Künstlern nicht vorhersagen. Aber ich gebe zu, das wäre mein Traum.
Aber nun als Geschäftsführer ist das auch eine Ihrer Aufgaben – die Sie sich offenbar auch zutrauen. Ich habe mir sehr genau überlegt, wie ich von Personen im Kunstbereich als Experte wahrgenommen
hat Betriebswirtschaft studiert und begann danach, in der Personalberatung zu arbeiten. Die vergangenen 15 Jahre war er bei Korn Ferry tätig, wo er Geschäftsführer und Managing Director war. Seit April 2018 ist er 60-Prozent-Eigentümer des Kunsthauses Kinsky. Die anderen Anteile halten die bisherigen Eigentümer Ernst Ploil und Michael Kovacek. Seit jeher interessiert er sich für Kunst und sammelt sie seit über 30 Jahren. werde. Hätte ich nicht eine 25-jährige Historie als Sammler, hätte ich niemals ein Auktionshaus mehrheitlich gekauft. Mir fehlte jede die Glaubwürdigkeit.
Welches Risiko hat dieser Schritt für Sie wirtschaftlich bedeutet? Aus der relativen und subjektiven Sicherheit eines Managing-Partners in der Unternehmensberatung nun selbst ein Unternehmen zu leiten. Ich musste eine Bank finden, die diesen Deal finanziert. Ich musste einiges an Kapital aufstellen, nachdem das Auktionshaus sehr erfolgreich ist.
Das hatten Sie nicht auf der hohen Kante. Nein, so viel Geld habe ich nicht verdient, obwohl ich in den vergangenen zehn Jahren für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlich verdient habe. Nicht zu vergessen: 70 Prozent meines Nettoeinkommens floß in den vergangenen 15 Jahren in die Kunst.
Sie müssen eine sehr tolerante Frau haben. Sehr tolerant und geduldig. Sie ist mein Lebensmensch – und sie liebt die Kunst mittlerweile auch.
Wie reagierte sie auf Ihre Entscheidung, ins Aktionshaus einzusteigen? Sie war zu allererst geschockt und etwas skeptisch, vor allem, als ich ihr mitteilte, wie die finanziellen Rahmenbedingungen aussehen würden. Trotzdem wir unser gesamtes Geld zusammengekratzt haben und Hypotheken auf unsere Wohnungen genommen haben, hat’s noch nicht ausgereicht. Sie hatte verständlicherweise Sorge, was passieren würde, sollte das ganze Vorhaben nicht klappen.
Die Sorge hatten Sie nicht? Mein ganzes Leben lang hatte ich Existenzängste und habe in Hinblick auf die Verantwortung,die ich für meine Familie trage, sehr behutsam agiert. Aber jetzt, bei diesem Schritt, hatte ich erstmals keine Ängste.
Interessant. Wieso nicht? In den vergangenen Jahren sind ganz andere Dinge in meinem Leben wichtig geworden. Es war mir nicht mehr wichtig, ob ich bei Korn Ferry das höchste Honorar erzielt habe oder zu den Top zehn Prozent weltweit gehöre, obwohl das natürlich toll ist.
Wie kam es zu dem Wandel? Ich hatte die Chance, über 18 Monate an einem Coachingprogramm teilzunehmen, das Führungskräften angeboten wird, bevor sie ganz große Managementrollen übernehmen. Dabei reflektiert man intensiv über sein Leben. Schlussendlich muss man in einem Satz definieren, was ihre Bestimmung als Führungskraft (purpose as a leader) ist.
Wie lautete Ihr Satz? „To use my passion to create an environment of trust and to make a difference.“
Diese Erkenntnis hat Sie in Ihren Zukunftsplänen hier bestärkt? Ja, und ich habe das Gefühl, genau an der richtigen Stelle zu sein, und keine Ängste, weil das Haus perfekt läuft. Kürzlich habe ich einen langjährigen Weggefährten getroffen, und er sagte: „Deine Entscheidung war richtig, du lachst und strahlst. Es geht dir gut.“
Mussten Sie Ihren Lebensstandard hinunterschrauben? Als Unternehmer muss ich mehr arbeiten für weniger Geld. Mein Gehalt beträgt zwanzig Prozent von dem, was ich in den vergangenen Jahren bekommen habe. Meinen Lebensstandard musste ich dennoch nicht ändern, mit einer gravierenden Ausnahme: Ich kann mir nicht mehr so viel Kunst kaufen.
Schmerzt Sie das? Ja, aber er ist erträglich, denn ich bin ja hier von wunderbarer Kunst umgeben.