Schwere Hypothek für Thielemanns großen Wagner-Festtag
Wenige Wochen vor der Premiere ist Bayreuth der Schwanenritter abhanden gekommen. Roberto Alagna mag nicht den Lohengrin singen.
Als erster seit Felix Mottl wird ein Maestro „alle zehn“in Bayreuth dirigiert haben.
Hoch gepokert haben die Bayreuther Festspiele bei der Planung ihres Auftakts für den Sommer 2018 – gepokert und verloren: Roberto Alagna wird nicht als Lohengrin debütieren. Der französische Tenor, spezialisiert auf Rollen in seiner Muttersprache und auf Italienisch, hat den Aufwand, eine der Paraderollen des deutschen Faches zu studieren, offenbar unterschätzt.
Vier Wochen vor der Premiere der Neuinszenierung durch Yuval Sharon hat Alagna mitgeteilt, seinen Vertrag nicht erfüllen zu wollen. Das ist ein schwerer Schlag auch für den Dirigenten Christian Thielemann.
Er absolviert am Eröffnungsabend nämlich sein zehntes Bayreuther Debüt. Als erster Kapellmeister seit Felix Mottl wird er damit alle von Richard Wagner für die Festspiele kanonisierten Musikdramen und die ebenfalls „zugelassene“Neunte Beethovens im Festspielhaus einstudiert haben.
Für diesen Termin hat sich Thielemann naturgemäß eine besondere Besetzung gewünscht. In der Dresdner Semperoper hat er vorgebaut und Anna Netrebko nebst Piotr Beczala als neues „Helden-Paar“auf die Bühne gebeten. Die beiden triumphierten mit ihren Erstversuchen im nicht eben angestammten Repertoire – winkten aber dann für Bayreuth ab. Der Testballon wurde zum singulären Ereignis. Mit Anja Harteros und Roberto Alagna war immerhin prominenter Ersatz gefunden; meinte man.
Nun wird fieberhaft nach einem altgedienten Schwanenritter gefahndet, der rasch am Roten Main anlanden kann, denn es gilt ja immerhin, eine neue Regie einzustudieren . . .
Kenner erinnern sich inzwischen an „Lohengrin“-Kalamitäten, wie sie beispielsweise Wien knapp vor der vorvorletzten Neuinszenierung an der Staatsoper ereilten. Da wurde James King, damals die Nummer eins der Gralsritterzunft, zur Generalprobe krank und musste bei den ersten Aufführungen durch William Cochran ersetzt werden. In der Folge fielen noch andere Sänger aus – und StaatsopernDebütant Zubin Mehta musste Nervenstärke beweisen. Kein einziges Mal stand in der ersten Aufführungsserie die geplante Premierenbesetzung auf der Bühne.
Fast zur gleichen Zeit kam es bei den Vorbereitungen zur „Lohengrin“Premiere der Salzburger Osterfestspiele zu einem Zerwürfnis zwischen dem gerade schwer rückenleidenden Herbert von Karajan und Rene´ Kollo, dem Titelhelden seiner beeindruckenden Inszenierung in Günther Schneider-Siemssens der Manessischen Liederhandschrift nachgebildeten Bühnenbildern. Das hatte weitreichende Folgen: Die parallel produzierte Schallplattenaufnahme konnte erst Jahre später fertiggestellt werden. Kollo sagte seine weitere Mitwirkung allerdings erst nach der Premiere ab. . .