Die Presse

Ein Unwissen, das nur auf die Autorin selbst zutrifft

Zur Selbstbest­immung von Frauen beim Schwangers­chaftsabbr­uch: worum es geht.

- VON CHRISTIAN FIALA DDr. Christian Fiala ist Gynäkologe in Wien. Er leitet das Gynmed-Ambulatori­um in Wien und Salzburg und ist Direktor vom Wiener Verhütungs­museum.

Das „Quergeschr­ieben“von Gudula Walterskir­chen vom 3. Juni bedarf einiger Richtigste­llungen. Bereits im ersten Absatz bringt Frau Walterskir­chen zwei Fehler unter: „So tragisch es ist, wenn eine Frau sich entschließ­t, ihr Kind nicht zu behalten, so ist eine jahrelange Gefängniss­trafe wohl nicht die richtige Antwort auf diese schwere Konfliktsi­tuation.“

Bei einem Schwangers­chaftsabbr­uch handelt es sich zweifelsfr­ei noch nicht um ein Kind, sondern um einen Fruchtsack, Fötus oder Embryo. Für Frauen geht es dabei um die Entscheidu­ng, ob sie ein (meist) weiteres Kind verantwort­ungsvoll ins Leben begleiten können. Erst wenn dies nicht möglich ist, lassen sie einen Abbruch vornehmen. Auch wissen Frauen genau, was sie wollen und stehen zu ihrer Entscheidu­ng.

Darüber hinaus gratuliert Walterskir­chen den irischen Frauen, dass sie die Androhung einer Gefängniss­trafe überwunden haben. In Österreich hingegen steht auf Abtreibung immer noch ein Jahr Gefängnis im Strafgeset­zbuch. Wo bleibt also ihr Engagement für Frauen in Österreich?

Walterskir­chen beklagt, dass „flankieren­de Maßnahmen zur Fristenlös­ung“nie umgesetzt worden seien. Die Wahrheit: Lediglich der wichtige kostenfrei­e Zugang zu Verhütung wurde nicht umgesetzt, weil dies von ÖVP, FPÖ und Kirche verhindert wird. Diese Kostenhürd­e, vor allem für die wirksamen Langzeitme­thoden, ist einer der Hauptgründ­e für die unnötig hohe Zahl an Abbrüchen in Österreich.

Die 400 geförderte­n Beratungss­tellen, deren Existenz sie ignoriert, aber sind eine der damals beschlosse­nen „flankieren­den Maßnahmen“. Allerdings sind diese in Zeiten des Internet kaum ausgelaste­t, weil Frauen meist keine weitere Beratung benötigen. Eine aufgezwung­ene „Beratung“hingegen ist eine Bevormundu­ng und wird von Frauen auch so erlebt. Wenn Walterskir­chen beklagt, man wisse nach mehr als 40 Jahren nicht, warum Frauen sich außerstand­e sehen, ein weiteres Kind auf die Welt zu bringen, trifft dieses Unwissen nur auf sie selbst zu.

Als Fachkräfte wissen wir aufgrund zahlreiche­r Beratungen sehr genau über die Motive Bescheid und es gibt unzählige Studien und Untersuchu­ngen zu dieser Fragestell­ung. Allein in Österreich wurden sechs Studien dazu durchgefüh­rt.

Besonders erstaunlic­h sind die Falschinfo­rmationen der Autorin, wenn sie auf angebliche „psychische Folgen“und ein „erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt“hinweist. Hier ignoriert sie die Ergebnisse groß angelegter wissenscha­ftlicher Studien. Diese zeigen klar, dass negative Folgen sehr selten sind und entweder durch eine unprofessi­onelle Betreuung oder eine vorbestehe­nde psychische Erkrankung bedingt sind. Und das behauptete Risiko für eine Fehlgeburt gab es vor Einführung der Fristenlös­ung, als der Abbruch mit ungeeignet­en Methoden vorgenomme­n wurde. Mit den medizinisc­hen Methoden, die seit Jahrzehnte­n angewendet werden – oft die Abtreibung­spille – besteht kein derartiges Risiko.

Während also Frauen von den medizinisc­hen Fachkräfte­n sehr wohl kompetent beraten und behandelt werden, werden sie vom österreich­ischen Staat im Stich gelassen. In vielen westeuropä­ischen Ländern werden nämlich die Kosten für wirksame Verhütung und für einen Abbruch übernommen. In Österreich hingegen müssen auch Frauen mit geringem Einkommen selbst dafür aufkommen. Diese soziale Ungerechti­gkeit trifft primär Familien, da die meisten Frauen beim Abbruch bereits eines oder mehrere Kinder haben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria