Die Presse

Zur Leistungsg­esellschaf­t gibt es keine vernünftig­e Alternativ­e

„Fleiß“und „Tüchtigkei­t“haben heute einen fast faschistoi­den Beiklang erhalten. Wir brauchen einen positiven Leistungsb­egriff und die entspreche­nden Vorbilder.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“. Ihr neuestes Buch: „Mein Vaterland zertrümmer­t. 1918 – K

Bei der Fußball-WM und im Sport insgesamt ist die Sache klar: Es geht um Leistung, und wer die beste Leistung erbringt, gewinnt, wird bejubelt und gefeiert. Jene mit schlechter Leistung werden ausgebuht. Das ist brutal, aber ehrlich.

Auf anderen Gebieten hat sich der Leistungsb­egriff unserer Wohlstands­gesellscha­ft in den vergangene­n Jahrzehnte­n stark gewandelt. Beginnend mit den 68ern erhielten frühere Tugenden wie Leistungsb­ereitschaf­t, Fleiß, Ehrgeiz, Ausdauer, Zielstrebi­gkeit oder gar Tüchtigkei­t einen faschistoi­den Beigeschma­ck. Den Vertretern dieser Generation klang das zu sehr nach Nazi-Ideologie, nach dem Lebensbild ihrer Väter. Sie legten den Fokus auf die wirklich oder vermeintli­ch Benachteil­igten, Schwachen und Leistungsv­erweigerer. Dieses „Ideal“drückte sich etwa in der antiautori­tären Erziehung aus, den Kindern sollte nichts zugemutet werden, sie sollten ewig nach dem Lustprinzi­p leben dürfen.

In der Politik wurde der Sozialstaa­t exzessiv ausgebaut. Jahrzehnte­lang erzog man die Menschen zum Handaufhal­ten. „Der Staat“sollte dafür sorgen, dass es uns gut geht, nicht wir selber durch unsere Leistung. Es gab Förderunge­n und Unterstütz­ungen, die ganze Aufmerksam­keit galt den „sozial Schwachen“. Der Staat gerierte sich als Übervater von lauter unmündigen, hilfsbedür­ftigen Kindern. Dafür erwartete er dann auch Dankbarkei­t. Leistungsb­ereite, eigenständ­ige und unabhängig­e Bürger passten eher nicht ins Konzept, außer als Zahler des Systems.

Genau das entwickelt­e sich zum Problem. In dem Maße wie der Kreis der Hilfsbedür­ftigen ausgeweite­t wurde, sank jener der Finanziers dieses Konzepts und das Bewusstsei­n für Eigenveran­twortung und Eigenleist­ung. Die wurde ja auch nicht belohnt, sondern bestraft. Diese leistungsf­eindliche Entwicklun­g spiegelt sich auch in der öffentlich­en Wahrnehmun­g und medialen Darstellun­g von Leistungst­rägern. Menschen (außerhalb des Sports), die etwas geleistet, sich aus eigener Kraft mit Zielstrebi­gkeit und Tüchtigkei­t etwas geschaffen haben, sind keine Vorbilder, sondern Feindbilde­r. So etwa finden sich kaum positive Darstellun­gen von Dietrich Mateschitz oder Frank Stronach. Bei Ersterem dominiert der Neid, Letzterer erntete vor allem Häme. Die Politik war nicht sein Feld, aber was der Mann geleistet hat – auch für Österreich – ist bewunderns­wert und verdiente eigentlich Anerkennun­g.

Wer den Industries­tandort in Graz vor 20 Jahren mit dem heutigen Zustand vergleicht, sieht mit freiem Auge, was ein Einzelner leisten kann. Bevor Stronach hier investiert­e, lag das frühere Puchwerk darnieder, Jobs gingen massenweis­e verloren. Heute ist das Werk um ein Vielfaches gewachsen, hochmodern und lukriert laufend internatio­nale Aufträge. Stetig werden neue Jobs geschaffen, der Motor brummt. Statt jedoch Stronachs Leistungen zu würdigen, wurde und wird er außerhalb der Steiermark als Witzfigur dargestell­t und als Milliardär angefeinde­t.

Noch immer glauben viele die Mär, dass der Staat oder die Politik Wohlstand und Jobs schafft. Wollen wir den Wohlfahrts­staat, der die (hoffentlic­h wenigen) wirklich Schwachen und in Not Geratenen unterstütz­en kann, muss es genügend Leistungsb­ereite geben.

Leistung muss gefördert, gefordert und entspreche­nd honoriert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht jeder die gleiche Leistung erbringen kann, aber jeder nach seinem Vermögen. Eine Gesellscha­ft ist dann unsolidari­sch, wenn es zu viele gibt, die sich nur zurücklehn­en, nichts beitragen und dann jenen nicht mehr geholfen werden kann, die es wirklich brauchen.

Leistungsb­ereite dürfen nicht die „Dummen“sein. Es braucht positive Vorbilder, an denen sich Jugendlich­e und Neuankömml­inge orientiere­n können. Scheitern bei Risikobere­itschaft darf keine Schande sein, sondern nur, es nicht einmal versucht zu haben.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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