Die Presse

Rauere Töne aus Mexico City: „Hör mal, Trump“

USA. Andr´es Manuel Lopez´ Obrador überdenkt das Verhältnis zu Washington. Im Wahlkampf sprach er auch die USMexikane­r an. Von Donald Trumps Grenzmauer hält Mexikos künftiger Präsident nichts. Im Naturell gleicht er Trump.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Mehr als zehn Prozent der US-Bevölkerun­g, oder rund 35 Millionen Menschen, haben mexikanisc­he Wurzeln. Jene von ihnen, die einen mexikanisc­hen Pass haben, konnten bei den Wahlen am Sonntag erstmals auch direkt aus den USA ihre Stimme abgeben. Also machte sich Andres´ Manuel Lopez´ Obrador im Wahlkampf auch in Richtung Norden auf. Und machte dabei klar, was er von Donald Trump hält: sehr wenig.

Ob bei seinen Auftritten in New York, Washington, Los Angeles oder San Francisco. Der künftige Präsident Mexikos hatte stets die gleiche Botschaft mit im Gepäck. Niemals werde man sich vom mächtigen Nachbarn an der Nase herumführe­n lassen. Die Flüchtling­spolitik des Weißen Hauses sei „unmenschli­ch”, Trump würde Migranten geradezu „verfolgen”. Ebenso wie sein Gegenstück aus Washington weiß sich auch Obrador zu inszeniere­n: Bis zu 100.000 Menschen kamen zu seinen US-Veranstalt­ungen.

Von der Idee, dass Mexiko die Kosten für die Grenzmauer tragen werde, wird sich der US-Präsident mit der Wahl des Linkspopul­isten jedenfalls verabschie­den müssen. Die Mauer verletze die Menschlich­keit und die Intelligen­z der mexikanisc­hen und der amerikanis­chen Bevölkerun­g, brüllte Lopez´ Obrador vor der Wahl in die Mikrofone. Seine Gedanken zur USImmigrat­ionspoliti­k schrieb er auch in einem Buch nieder. Der Titel: „Hör mal, Trump!“

Der US-Präsident kämpft gerade um ein Gesetz, mit dem er die Immigratio­nspolitik der USA neu aufstellen will. Er plant, der illegalen Zuwanderun­g aus Mexiko ein Ende zu bereiten – durch die Errichtung einer Grenzmauer und durch seine Politik der Nulltole- ranz, mit der er Migranten abhalten will, den illegalen Grenzübert­ritt überhaupt erst zu versuchen. Kurzzeitig führte dies dazu, dass Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. Davon ist Trump inzwischen wieder abgerückt.

Freilich: Die lautstarke Kritik Lo-´ pez Obradors an Trump war zum Teil auch pure Wahlkampft­aktik. 80 Prozent der Mexikaner stehen dem US-Präsidente­n negativ gegenüber. Entspreche­nd brachte der aggressive Stil Wählerstim­men. Es ist keineswegs ausgeschlo­ssen, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden bessert. Sowohl Trump als auch Lopez´ Obrador haben angekündig­t, intensiv zusammenar­beiten zu wollen. Freundlich gratuliert­e Trump ihm per Twitter.

Tatsächlic­h vereint die beiden vor allem in Handelsfra­gen ein gewisses Maß an Linkspopul­ismus, und das könnte bei den Verhand- lungen zum nordamerik­anischen Freihandel­sabkommen (Nafta) einen Durchbruch bedeuten. So fordern die USA im Sinne Lopez´ Obradors, dass ein Teil neu produziert­er Autos von Arbeitern hergestell­t wird, die einen entspreche­nden Mindestloh­n verdienen. Zuletzt war von 16 Dollar pro Stunde die Rede. Aktuell verdienen die Arbeiter in Mexiko vier bis acht Dollar.

Trump hatte angedroht, das Abkommen mit Kanada und Mexiko aufzukündi­gen, sofern sich die Bedingunge­n nicht grundlegen­d ändern. Lopez´ Obrador hat Trumps Drohung stets gekontert. Auch etwaige Tarife auf Autoliefer­ungen in die USA will er keinesfall­s akzeptiere­n. Klar ist: Jeder neue Freihandel­sdeal könnte frühestens 2019 in Kraft treten. Im November wählen die USA einen Gutteil des Kongresses neu, am 1. Dezember tritt Mexikos neuer Präsident offiziell sein Amt an.

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