Kollektive Stärke ohne Superstars
Schweden schreibt Zusammenhalt groß, demonstrativ stellte sich die Mannschaft hinter Jimmy Durmaz. Die Schweiz muss zwei Abwehrstützen ersetzen.
Es ist die Gunst der Stunde für Schweden und die Schweiz, die heute in St. Petersburg im Achtelfinale aufeinandertreffen. Beide haben den Sprung in die vermeintlich leichtere, zumindest aber weniger prominent besetzte Tableau-Hälfte der K.-o.Phase geschafft. Während die Nati als Gruppenzweiter hinter Brasilien zu erwarten war, haben sich die Skandinavier überraschend als Erster der Deutschland-Gruppe qualifiziert. Neben England (Weltmeister 1966) ist Schweden das einzige Team dieses Turnierasts mit Finalerfahrung: 1958 ging das Endspiel der Heim-WM gegen Peles´ Brasilien verloren.
60 Jahre später möchte das „Tre Kronor“-Team in Russland der WM-Historie ein neues Erfolgskapitel hinzufügen. Selbst die stets übermächtig erscheinende Lichtgestalt Zlatan Ibrahimovic´ traut seinen Landsleuten inzwischen den Titel zu. Sonst hält sich der Exzentriker überraschenderweise mit Wortmeldungen zurück, in der Mannschaft vermisst ihn in Schweden ohnehin keiner mehr. Ein Fußballer der Klasse eines Ibrahimovic´ fehlt zwar im aktuellen Kader, dafür werden Teamgeist und Zusammenhalt statt Starallüren großgeschrieben.
Der Fall von Jimmy Durmaz unterstrich die gelebte Solidarität der Schweden. Der Toulouse-Legionär ist Sohn assyrischer Einwanderer aus der Türkei und wurde nach seinem Foul vor dem Lastminute-Gegentor der Deutschen zum Ziel rassistischer Beschimpfungen und Beleidigungen. „Wir haben darüber gesprochen, wie wir reagieren sollen“, berichtete Stürmer Marcus Berg von einer kurzen Nacht. Auf Initiative von Teamchef Janne Andersson versammelten sich am nächsten Tag Spieler wie Betreuer und riefen vor den Medienvertretern gemeinsam: „Fuck Racism.“
Respekt und Zusammenhalt sind für Andersson die wichtigsten Tugenden. „Man muss sich außerhalb des Platzes auf einen Umgang verständigen, dann kann man es auf dem Rasen ausleben. Jeder ist für den anderen da, jeder kämpft für den anderen“, erklärte der 56-Jährige. Kritik am schwedischen Konterspiel aus einer stabilen Defensive lässt ihn kalt. „Meine Aufgabe ist es, die Taktik zu finden, mit der wir mit den vorhandenen Spielern den größtmöglichen Erfolg erzielen können.“
Auch die Schweiz setzt auf das Kollektiv und hat sich schon länger in der erweiterten Weltspitze etabliert. Nun soll endlich bei einer Endrunde der große Wurf gelingen, bislang war das Viertelfinale das höchste der Gefühle, zuletzt 1954. „Schweden ist machbar“, meinte Valon Behrami. Teamchef Vladimir Petkovic´ muss allerdings umbauen, denn mit Kapitän und Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner sowie Innenverteidiger Fabian Schär fehlen zwei Abwehrstützen wegen Gelbsperren. (swi)