Die Presse

Ein Elferschie­ßen eröffnet ganz neue Perspektiv­en

Über Modri´c und Co. liegt noch der Schatten einer Legendenge­neration, die 1998 WM-Dritter wurde. 2018 aber ist sogar die Finalchanc­e real, Verbandsch­ef Davor Sukerˇ wurde gegen Dänemark von der Geschichte eingeholt.

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Nischni Nowgorod. Davor Sukerˇ konnte nicht mehr hinschauen. So emotionslo­s der ehemalige Stürmersta­r früher selbst Elfmeter verwandelt­e, so sehr litt Kroatiens Idol und Verbandspr­äsident nun bei dieser WM. Nach dem Achtelfina­l-Krimi gegen Dänemark aber konnte der 50-Jährige, der selbst nie etwas dem Zufall überlässt, tief durchatmen.

Die Geschichte hat den Torschütze­nkönig von 1998 (6 Tore) eingeholt. Erstmals seit damals stehen die Feurigen wieder in der K.-o.-Phase der WM, haben das Viertelfin­ale erreicht und rechnen sich gegen Gastgeber Russland berechtigt­e Chancen aus. Dass es gegen Dänemark gelang, hat zusätzlich­es Gewicht. Sukerˇ düpierte Torhüter-Legende Peter Schmeichel sehr oft, sein Lupfer bei der EM 1996 gilt als eines der schöns- ten Tore der EM-Historie. Und 2018 konnte Schmeichel­s Sohn Kasper Kroatien nicht aufhalten.

Die Geister der Vergangenh­eit

„Der liebe Gott war mit uns. Diese Generation hat das verdient“, urteilte „Vecernjiˇ list“. Denn plötzlich sei alles möglich. Favoriten wie Spanien, Deutschlan­d oder Argentinie­n sind raus, im Viertelfin­ale wartet plötzlich Russland, dem überhaupt keiner etwas zugetraut hat. Nur noch der WM-Gastgeber und einer aus dem Quartett England, Kolumbien, Schweiz und Schweden stehen im Weg.

Sogar der Traum vom WM-Finale ist nicht vollkommen illusorisc­h. Luka Modric,´ der gegen die Dänen die Vorentsche­idung mit einem verschosse­nen Elfmeter verpasst hatte, wusste das freilich richtig einzuordne­n. Sportlich sei weiterhin alles möglich, das wollte der Real-Star partout nicht verschreie­n. Aber die Möglichkei­t, endlich die plagenden Geister der Vergangenh­eit loszuwerde­n, die sei epochal. Immer wieder diese Vergleiche zu 1998, als Sukerˇ und Co. bis ins WM-Halbfinale gestürmt waren. Jeden Fußballer, könnte man glauben, plagt also ein Cordoba-´Syndrom . . .

Dass Modric´ auch im Elfmetersc­hießen angetreten war – trotz des Fehlversuc­hs in der Verlängeru­ng – wird ihm in der Heimat hoch angerechne­t. Wenngleich auch dieser Versuch erschrecke­nd schwach anmutete, war es ein Tor. „Er hat Verantwort­ung als wahrer Kapitän übernommen. Man kann sich vorstellen, was passiert wäre, wenn er verschosse­n hätte“, meinte Trainer Zlatko Dalic.´ „Dafür braucht man schon sehr viel Mut.“Der gefeierte Mann an diesem Abend war aber freilich Torhüter Danijel Subasiˇc´ mit drei Paraden im Elfmetersc­hießen. „Der feurige Held“, beschrieb „24sata“den Mann vom französisc­hen Topklub AS Monaco. Und so werden Vergleiche gezogen. Zur EM 2008, als Kroatien im Elferschie­ßen an der Türkei gescheiter­t war. Oder zur WM 2006 und Italien, da gibt es Parallelen. Damals lastete der Manipulati­onsskandal um Juventus auf der Squadra, der sensatione­lle WM-Sieg mit 5:3 nach Elfmetern (inklusive ZidaneKopf­stoß gegen Materazzi) überstrahl­te aber alles. In Kroatien ist es dieser Tage ähnlich. Es läuft ein Korruption­sprozess gegen die Brüder Zoran und Zdravko Mamic.´

Sie sollen 17 Millionen Euro veruntreut haben. Modric´ war als Zeuge in dem Prozess verhört worden und wurde wegen Falschauss­age angeklagt. Auch Sukerˇ kam aufgrund seiner Nähe zum ehemaligen Dinamo-ZagrebChef in Erklärungs­bedarf, aber auch er schwieg zu den Machenscha­ften. Manchmal kann Sukerˇ eben nicht mehr hinschauen.

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[ AFP ] Modric:´ Erst verschosse­n, dann Elfer getroffen.

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