Musikalischer „Sturm“zum Festspiel-Jubel
In Reichenau feierten die Schauspieler nach einer BuchbinderMatinee 30 Jahre „Loidolt-Festival“.
30 Jahre Theaterfestspiele Reichenau. Man feierte mit einem Jubiläumsakt nebst Buchpräsentation und eröffnete mit – Beethoven. Seit Beginn von Renate und Peter Loidolts Festival hat auch die Musik ihren Stellenwert im Programm. Rudolf Buchbinder, seit Jahren Fixstarter, musiziert sein Recital-Programm zweimal, als Matinee und abends. Der Zufall der Terminplanung wollte es, dass die Jubiläumsfestspiele mit Buchbinders Matinee anhoben. Beethoven zum Auftakt, die „Sturmsonate“und die Es-Dur-Sonate op. 31/3 – unter stetigem Hochdruck, als würde hörbar, dass der Pianist Reichenau zwischen Auftritten in St. Petersburg und Boston absolvierte.
Doch hat Buchbinders Beethoven Methode: Die Nervosität, die beständige Unterminierung auch ruhiger Augenblicke wie in den langsamen Sätzen der beiden Sonaten sorgten auch subkutan für dramatischen Atem. Dagegen bezauberte nach der Pause der klangliche Reichtum, mit dem Buchbinder in Mozarts „Weihnachtsmann“-Variationen jegliche Diskussion über die „historisch korrekte“Instrumentenwahl ad absurdum führte: Solch satte Farb-Changements wären auf keinem Hammerflügel des 18. Jahrhunderts denkbar. Sie führten unmittelbar zu Chopins klar und ohne Parfum, aber weit geatmetem b-Moll-Scherzo.
Am Nachmittag versammelten sich dann 30 Schauspieler im Neuen Spielraum des Reichenauer Theaters, um mittels „inszenierter“Präsentation von Michaela Schlögls Jubiläumsbuch Geburtstag zu feiern, vor allem die Intendanten Renate und Peter Loidolt. Die Erfolgsgeschichte ist erstaunlich: Von 3000 Besuchern zu Beginn in den Achtzigern stieg die Zuschauerzahl auf über 40.000 jährlich.
Der Festspielverein, der ein Vorkaufsrecht auf die begehrten Karten bietet, hatte anfangs 50, dann 500 und schließlich 4800 Mitglieder. Dabei war der Anfang nicht leicht, als der erfolgreiche Reedereiagent Peter Loidolt seiner Frau eröffnete, dass er nun Maler und Prinzipal werden wollte. Das Konzept bewährte sich: Historisierend aufbereitete Klassiker mit Publikumslieblingen, Kontinuität. Die meisten Vorstellungen in Reichenau hat Joseph Lorenz gespielt: 583. Mit Regina Fritsch ist Lorenz im Festspielverein. Beim Festakt bezauberte Fritsch mit einer Reminiszenz an ihr frühes Erscheinen in Reichenau – als Salome Pockerl in Nestroys „Talisman“– und sang „Ja, die Männer hams guat“.
Miguel Herz-Kestranek schrieb für die Jubilare ein Nestroy’sches Couplet – und meinte, gemünzt auf das beschauliche Leben in Reichenau unterm Jahr: „Wennst im August herkommst, kannst da nackert gehen.“Am 4. August sind die letzten Vorstellungen. (sin/bp)