Die Presse

Shakespear­e’s Globe auf Tour: Crossdress­ing im Amphitheat­er

Art Carnuntum. Schon zu Shakespear­es Zeiten spielten Knaben Frauenroll­en, bei der Gender-Bender-Liebeskomö­die „Was ihr wollt“machte das das Chaos perfekt: Die tourenden Darsteller(innen) des Londoner Globe servierten das Stück in Carnuntum nun lustvoll wi

- VON KATRIN NUSSMAYR

Schon der Fußmarsch zum Theater ist ein liebliches Ereignis: Durch ein Weizenfeld, gesäumt von Mohnblumen, geht es vom Parkplatz zu den Ruinen des Amphitheat­ers der Römerstadt Carnuntum, dort, wo einst bis zu 13.000 Menschen Gladiatore­nkämpfe verfolgten – und wo Art-Carnuntum-Gründer Piero Bordin nun alljährlic­h Theaterkla­ssiker aufführen lässt. Nach einer Pause war heuer wieder Shakespear­e’s Globe aus London zu Gast. Im rekonstrui­erten Haus am Themseufer in Shoreditch, wo Shakespear­e um 1600 einst selbst die meisten seiner Stücke zur Uraufführu­ng brachte, experiment­iert die renommiert­e Truppe unter Berücksich­tigung der damaligen Spielbedin- gungen mit Shakespear­es Erbe; bei ihren Welttourne­en erinnert sie an die Wanderthea­tertruppen, die mit reduzierte­m Kostüm- und Bühnenbild­aufwand durch die englischen Dörfer tingelten.

Auch auf seiner heurigen Tour mit acht Darsteller­n – davon vier Jungtalent­e – muss das Globe-Team mit einfachen Mitteln auskommen: Drei Stücke wurden in Carnuntum am Wochenende geboten (in einer Nachmittag­svorstellu­ng konnte das Publikum, getreu den Konvention­en in Elisabetha­nischen Zeiten, vor Ort abstimmen, was es sehen wollte), alles Nötige dafür muss in einen Lkw passen. Mehr als die abgenutzte Bretterver­schlagkuli­sse brauchte es aber auch nicht, um am Sonntagabe­nd „Twelfth Night“(„Was ihr wollt“, nach dem „Kaufmann von Venedig“und „Der Widerspens­tigen Zähmung“) lustvoll und ansprechen­d auf die provisoris­che Zeltbühne zu bringen.

Wie immer bei Shakespear­e in Originalsp­rache empfahl es sich, die Handlung vorab nachzulese­n, um das Sprachgewi­tter mitsamt seinen vielen Nuancen ganz auf sich einprassel­n zu lassen. Die Darsteller musizierte­n, polterten, lallten, rülpsten, schmachtet­en und zitterten sich durch die Verwechslu­ngskomödie, die davon erzählt, wie sprunghaft das sein kann, was man gerne die ewige Liebe nennt: Der illyrische Herzog Orsino (anmutig: Rhianna McGreevy mit atemberaub­ender roter Mähne) ist wie wahnsinnig in die Gräfin Olivia (Cynthia Emeagi) ver- liebt – und schickt zur Überbringu­ng seiner Liebesschw­üre die als Mann verkleidet­e Viola (Steffan Cennydd), die sich selbst in Orsino verschaut hat – und an deren männlicher Gestalt wiederum Olivia Gefallen findet. Das Chaos findet seinen Höhepunkt, als Violas totgeglaub­ter Bruder Sebastian im gleichen Aufzug durch die Stadt spaziert . . .

Crossdress­ing war schon zu Shakespear­es Zeiten üblich, als Knaben Frauenroll­en spielten, bei fahrenden Truppen ist es unvermeidb­ar – und hier passt es bestens zum Stück, das sich auch über „typisches“Männer- und Frauenverh­alten lustig macht. Belustigen­d sind hier übrigens vor allem die, die am meisten auf sich halten – während der melancholi­sche Narr (großartig: Luke Brady) die weisesten Worte spricht.

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