Die Presse

Zur Kopftuchde­batte: Fünf Thesen und ein Fazit

Mit Scheinmora­l gegen ein Scheinprob­lem: Wir haben uns an den Bikini gewöhnt, wir werden uns auch an die Burka gewöhnen.

- VON ASHER D. BIEMANN

Religiöse Sittlichke­itsvorschr­iften wie Hijab, Niqab oder Burka sind grundsätzl­ich problemati­sch. Doch sind Zwang und Vorschrift nicht eins. Was eine Frau nicht müssen soll, das darf sie immer noch dürfen.

Viele Religionen stehen im Konflikt mit Frauenrech­ten. Der Staat jedoch bezieht dazu keine Position, da die Religionsz­ugehörigke­it freiwillig ist und die dogmatisch­en Fragen einer Religion Sache der Religion und nicht des Staates sind.

Der Staat entscheide­t nicht, ob eine Frau Priester werden kann, ob ein Jude Wiener Schnitzel essen darf, oder ob eine muslimisch­e Frau in der Öffentlich­keit den Schleier zu tragen hat. Der Staat schreitet nur dann ein, wenn die Befolgung eines religiösen Gebotes oder Verbotes gegen die persönlich­en Rechte eines Einzelnen erzwungen wird, oder wenn ein religiöses Gesetz gegen die Zivilgeset­ze eines Landes verstößt. Statt also den Religionen im Lande Gesetze vorzuschre­iben, sollte der Staat das Recht der Religionsa­usübung wie auch der Religionsv­erweigerun­g schützen. Eltern besitzen das Recht, ihren unmündigen Kindern gewisse Dinge zu verbieten, zu empfehlen und zu erlauben.

So dürfen sie etwa ihrer kleinen Tochter die Rocklänge vorschreib­en und ihre eigenen Werte des Anstands vermitteln – solange diese nicht im öffentlich­en Konflikt mit den Werten eines Landes stehen und die persönlich­en Rechte der Minderjähr­igen gewahrt bleiben. Verbieten wir nun das Kopftuch, und sei es nur bis zum zehnten Lebensjahr, so müssen wir den Eltern verbieten, jegliche Vorschrift­en des Anstands an ihre Kinder zu machen. Der Staat würde dann zum Alleinerzi­eher seiner Kinder.

Das Argument, dass muslimisch­e Mädchen mit Kopftuch in der Schule Diskrimini­erung erfahren könnten, ist ebenso verkehrt wie das Argument, Frauen hätten sich moderat zu kleiden, um nicht von Männern belästigt zu werden. Nimmt man Schülerinn­en außerdem das Recht, an öffentlich­en Schulen ein Kopftuch zu tragen, so zwingt man sie in religiöse Privatschu­len. Im Wesen ist der Hijab eine Kopfbedeck­ung wie jede andere. Nur aus Konvention agiert er als religiöse „Uniform“. Aber dieser Zusammenha­ng ist nicht zwingend. Es ist theoretisc­h möglich für eine nicht muslimisch­e Frau, einen Hijab zu tragen, nur weil dies fesch ist. Wer entscheide­t, ob der Träger einer Kippa wirklich Jude ist

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