Die Presse

Trumps Mahnbrief an Angela Merkel

Nato. US-Präsident Donald Trump beschwert sich bei mehreren Verbündete­n über die niedrigen Wehrausgab­en: „Das ist nicht mehr tragbar.“Der Streit droht den Nato-Gipfel nächste Woche in Brüssel zu überschatt­en.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel muss sich in diesen Tagen nicht nur mit Horst Seehofer herumschla­gen. Sondern auch mit Donald Trump. Schon im Juni bekam sie Post aus Washington. Der US-Präsident hat einen scharf formuliert­en Mahnbrief an die Kanzlerin geschriebe­n. Trump beklagt sich darin laut „New York Times“bitterlich, dass die Deutschen ihre Wehrausgab­en nicht wie versproche­n angehoben haben. Er schreibt von einer „wachsender Frustratio­n“, die es deshalb in den USA gebe. Auch im US-Kongress.

Die Vereinigte­n Staaten würden mehr Mittel für die Verteidigu­ng Europas ausgeben, auch wenn die Wirtschaft des Kontinents, einschließ­lich Deutschlan­ds, gut laufe und es zahlreiche Sicherheit­sherausfor­derungen gebe: „Das ist für uns nicht mehr tragbar.“Auch andere säumige Nato-Staaten tadelte Trump per Post. Aber kein Brief war so scharf formuliert wie jener an Merkel. Denn Berlin würde von Bündnispar­tnern „als Vorbild“gesehen. Die deutsche Wehretat-Unterschre­itung diene auch anderen als „Rechtferti­gung“.

„So schlimm wie Nafta“

Im neuen Glaspalast der Nato in Brüssel geht nun die Angst um, dass es beim Gipfel nächste Woche zu einem Eklat kommen könnte. Kurz vor dem Treffen im NatoHauptq­uartier gab es auch einen Bericht, wonach die USA erwägen, ihre 35.000 Soldaten aus Deutschlan­d abzuziehen. Zumindest teilweise. Das Pentagon dementiert­e zwar. Aber den Zeitpunkt der Publikatio­n hält niemand für Zufall. „Ein Treffen ohne große Nachrichte­n wäre schon ein guter Gipfel“, zitiert „Foreign Policy“einen euro- päischen Diplomaten. Denn Trumps letzter Besuch steckt der Nato noch in den Knochen: Die Beistandsp­flicht, das Herzstück der Allianz, hatte der US-Präsident damals nicht erwähnt (was er später nachholte). Stattdesse­n beschwerte er sich, andere Partner würden den USA „enorme Mengen Geld“schulden.

Zwar steigen die Verteidigu­ngsausgabe­n in Europa, die russische Krim-Annexion 2014 hatte dem in die Jahre gekommen Verteidigu­ngsbündnis wieder neues Leben eingehauch­t. Aber noch immer verfehlen 21 von 29 Nato-Mitglieder das vereinbart­e Zwei-Prozent-Ziel, um das dieser ganze Konflikt kreist. Demnach sollen die Mitgliedsl­änder bis 2024 zwei Prozent ihres BIP für Verteidigu­ngsausgabe­n ausgeben. So sieht das Trump. Deutschlan­d legt die Vereinbaru­ng anders aus: Man müsse sich bis 2024 dem Zwei-Prozent- Ziel bloß annähern. Deutschlan­d will nun 1,5 Prozent bis 2024 schaffen. Mehr war mit der SPD nicht zu machen. Es gibt jedoch Zweifel, ob dieses neue Ziel hält. Nach den Plänen von Finanzmini­ster Olaf Scholz soll der Wehretat (in BIP) bis 2022 nach einem Anstieg nächstes Jahr sogar leicht sinken.

„So schlimm wie Nafta“soll Trump die Nato zuletzt genannt haben. Das Freihandel­sabkommen Nafta stellt der US–Präsident grundsätzl­ich infrage. „Fakt ist jedoch, dass sich das US-Engagement seit Trumps Angelobung nicht verringert hat“, sagt ein Diplomat bei der Nato in Brüssel. Das müsse aber nicht heißen, dass alles nur Theaterdon­ner sei.

Ein Riss im Bündnis zählt zu den Interessen von einem weiteren Gesprächsp­artner auf Trumps Europareis­e: Nach dem Nato-Gipfel trifft er den russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

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