Die Presse

Die Fußballphi­losophie eines Geschichts­lehrers

Oscar´ Tab´arez ist als 71-Jähriger nicht nur der älteste Trainer bei dieser WM, sondern auch der Doyen dieser Branche. Das Guillain-Barre-´Syndrom stoppt ihn nicht, Beißattack­en verteidigt er, er folgt seiner Vision: Finale 2018.

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Beim Jubeln ist scar Tabarez´ immer der Letzte. Dabei würde Uruguays Trainer-Oldie seinen Emotionen bei der bisher so erfolgreic­hen WM nur zu gerne freien Lauf lassen. Doch eine chronische Nervenkran­kheit zwingt den 71 Jahre alten Maestro, der sich bei öffentlich­en Auftritten auf eine Krücke stützen muss, zur Zurückhalt­ung. Er schaut seinen Spielern also beim Jubel zu.

Über seine gesundheit­lichen Probleme, Tabarez´ leidet am Guillain-Barre-´Syndrom, das eine Muskelschw­äche auslöst – verliert der Coach kein Wort. Genauso wenig wie über seine Verdienste. Das tun ohnehin andere. „Er ist der Vater des Erfolgs und für die gesamte Entwicklun­g der Mannschaft verantwort­lich“, sagt Stürmersta­r Edinson Cavani, dessen Einsatz gegen Frankreich wegen einer Wadenverle­tzung zwar fraglich, aber keineswegs ausgeschlo­ssen ist.

Tabarez´ ist nicht nur der älteste Trainer im Turnier, sondern auch der Doyen. In seiner insgesamt 14-jährigen Amtszeit hat er die Celeste in 184 Länderspie­len betreut – Rekord. Und das 185. am Freitag im WM-Viertelfin­ale gegen Frankreich soll nicht das letzte in Russland gewesen sein. „Wir sind hier, um sieben Spiele zu spielen“, sagt Tabarez.´ Soll heißen: Der Champion von 1930 und 1950 will ins Finale. Nach vier Siegen in vier Spielen mit nur einem Gegentor ist es keine Utopie.

Schon von 1988 bis 1990 wirkte Tabarez´ erstmals als Auswahltra­iner Uruguays. Nach dem Aus im WMAchtelfi­nale gegen Gastgeber Italien war jedoch Schluss. Es folgten Engagement­s bei sechs Vereinen in Südamerika und Europa, darunter von 1996 bis 1997 beim AC Milan. Doch 2001 schien seine Laufbahn vorbei. Fast fünf Jahre blieb er ohne Trainerjob, ehe ihn im Februar 2006 noch einmal der Ruf des uruguayisc­hen Verbandes erreichte. Die Südamerika­ner hatten gerade die WM in Deutschlan­d verpasst und damit ihren Tiefpunkt erreicht.

Tabarez´ erneuerte das Nachwuchsp­rogramm. Schnell stellten sich Erfolge ein: 2010 gelang der Einzug ins WM-Halbfinale, 2011 der Gewinn der Copa America.´ Er wurde zum Welttraine­r gewählt.

Der ehemalige Geschichts­lehrer kann aber auch anders. Seine Verteidigu­ng der Beißattack­e von Luis Suarez´ bei der WM 2014, nach der er eine Intrige gegen Uruguay witterte, war skurril. 2015 lieferte er sich ein Handgemeng­e im Skandal-Viertelfin­ale der Copa America´ gegen Chile. Doch im Vordergrun­d steht immer die Liebe zum Fußball, der seit nunmehr über 50 Jahren sein Leben bestimmt. „Die Nationalma­nnschaft gibt ihm Vitalität“, sagt Abwehrchef Diego God´ın. „Ich bin davon überzeugt: Sie schenkt ihm das Leben.“(fin)

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[ AFP ]

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