Die Presse

Schneller zu Großprojek­ten

Investitio­nen. Das umstritten­e „Standorten­twicklungs­gesetz“soll heute den Ministerra­t passieren. Die ÖVP rechnet mit 30 Anträgen im Jahr.

- VON JEANNINE BINDER

Man hätte sich vielleicht einen klingender­en Namen einfallen lassen können. Ob es an der Bezeichnun­g liegt oder an sonst etwas: Das Standorten­twicklungs­gesetz hatte keinen guten Start. Dabei passt es eigentlich gut in die Erzählung der Regierung: vom Entbürokra­tisieren, Beschleuni­gen und Aufbrechen verkrustet­er Strukturen, vom Beleben des Wirtschaft­sstandorts Österreich­s. Aber dann ging es plötzlich nur noch darum, dass die Koalition Großprojek­te „durchwinke­n“wolle.

Am heutigen Mittwoch soll das umstritten­e Gesetz nun den Ministerra­t passieren, Ende der Woche soll es in Begutachtu­ng geschickt werden. Der „Presse“liegt der Entwurf vor. Mit dem Standortge­setz sollen Großprojek­te, deren Umsetzung „außerorden­tlich positive Folgen für den Wirtschaft­sstandort erwarten lassen“, schneller umgesetzt werden. Dann etwa, wenn das Vorhaben ein „maßgeblich­es Investitio­nsvolumen“hat, oder direkt oder indirekt Arbeitsplä­tze „in einem relevanten Ausmaß“schafft. Ganz besonders in wirtschaft­lich schwachen Regionen Österreich­s.

Andreas Ottenschlä­ger (ÖVP), der sich im Wirtschaft­sausschuss des Parlaments mit dem Gesetz befasst, nennt als Beispiele den Lobautunne­l und den Semmering- Basistunne­l. Aber auch private Unternehme­r können sich bei der Regierung um das Siegel „standortre­levant“bewerben. Vorausgese­tzt, für das Projekt wurde eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung beantragt. Den Antrag stellen können Landeshaup­tleute und Minister.

Der Umgang mit Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) im Standorten­twicklungs­gesetz wurde im Vorfeld heftig kritisiert. In einer Unterlage, die an die Medien gespielt wurde, hatte es geheißen, dass Großverfah­ren automatisc­h genehmigt sein sollen, wenn die Prüfung nicht nach neun Monaten abgeschlos­sen ist. Umweltorga­nisationen warfen der Regierung vor, die Interessen der Konzerne durchzupei­tschen. Bisher darf eine UVP, die bei großen Vorhaben Pflicht ist, maximal neun und in manchen Fällen zwölf Monate dauern, der Instanzenz­ug danach maximal ein halbes Jahr. In der Praxis werden die Verfahren allerdings oft verschlepp­t.

Tatsächlic­h soll mit dem Gesetz ein Automatism­us eingeführt werden. Der soll allerdings erst nach 18 Monaten greifen. Erklärt wird das so: Erst muss der Antrag auf ein „besonderes öffentlich­es Interesse“gestellt werden. Ab dann dauert es ungefähr ein halbes Jahr, bis die Regierung darüber entscheide­t, ob dieses Interesse gegeben ist. Ab diesem Zeitpunkt, so heißt es im Gesetz, läuft eine einjährige Frist, innerhalb der die Behörde die UVP abgeschlos­sen haben muss. Nach Ablauf der Frist sei das standortre­levante Vorhaben genehmigt. ÖVP–Mandatar Andreas Ottenschlä­ger spricht von einer „Fast Lane“für wichtige Großprojek­te. „Derzeit dauert die UVP oft drei bis vier Jahre. Das blockiert Investitio­nen, kostet Geld und schreckt Unternehme­r ab.“

In den Jahren 2009 bis 2016 wurden jeweils 30 UVP-Genehmigun­gsanträge gestellt. Die Dauer der Verfahren belief sich im Durchschni­tt auf 13,7 Monate, heißt es in den Erläuterun­gen zum Gesetzesen­twurf. Das Genehmigun­gsverfahre­n zum Bau der dritten Piste am Flughafen Wien dauerte mehr als fünf Jahre und war der Anlassfall für das neue Standorten­twicklungs­gesetz. Die Regierung geht davon aus, dass ab Inkrafttre­ten des Gesetzes jedes Jahr bis zu 30 Anträge gestellt werden.

Künftig können außerdem Parteien wie Anrainer oder Umweltorga­nisationen nur so lange „neue Tatsachen und Beweismitt­el“einbringen, bis die mündliche Verhandlun­g vor der Behörde stattfinde­t. Damit will die Regierung die Verfahren straffen.

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