Kommen Methusalems in der Realität?
Biologie. Die Debatte über die mögliche Lebensdauer des Menschen ist um eine Facette reicher: Daten aus Italien zeigen, dass ab 105 Jahren das zuvor stets wachsende Risiko, im Folgejahr zu sterben, nicht mehr steigt.
Steinalt wurden sie, die Methusalems des Alten Testaments, der Namensgeber brachte es auf 969 Jahre, Noah auf 950, Adam auf 930. Nebenan in Sumer war es noch toller, da regierte ein König 46.800 Jahre, ein anderer gar 64.800. Das waren Mythen einer Zeit, in der die durchschnittliche Lebenserwartung bei 33 Jahren lag, viele kamen schon bei der Geburt zu Tode, andere an der ewigen Gewalt. Daran änderte sich lange wenig, erst vor etwa 150 Jahren kam ein Lebenselixier, die moderne Medizin: Wer anno 1900 in den USA geboren wurde, hatte 47 Jahre zu erwarten, beim Jahrgang 2000 waren es 79.
In den 1970er-Jahren kam ein zweiter Trend, nun stieg auch die Zahl der Zentenare, derer, die über 100 Jahre alt werden, es sind derzeit um die 100.000 weltweit. Den Rekord hält die Französin Jeanne Calmet, sie ist 1997 mit 122 Jahren und 164 Tagen gestorben, sie hatte noch van Gogh gekannt. Und sie und andere Zentenare aktualisierten die in der Forschung heiß debattierte Frage, wie alt Menschen werden können.
Plafond erreicht oder doch noch nicht?
Vor zwei Jahren sah der Statistiker Jan Vijg (New York) den Plafond erreicht, in seinen Augen war die Zahl der Zentenaren seit den 90er-Jahren leicht rückläufig (Nature 538, S. 257). Das war, methodischer Fragen wegen, umstritten, und nun sieht es eher nach dem Gegenteil aus, zumindest in Italien: Elisabetta Barbi (Rom) hat die dortigen Daten ausgewertet, die generellen der Sterbestatistik und die besonderen derer, die über 105 Jahre alt wurden.
Bei Letzteren zeigte sich eine Besonderheit, die dem widerspricht, was seit 1832 in den Büchern steht, ein Gesetz, das der Ma- thematiker Benjamin Gompertz formulierte und das nach ihm benannt ist: Mit dem Alter steigt bei allen Säugetieren das Risiko, im kommenden Jahr zu sterben, rasant, bei Mensch im Alter von 80 liegt es bei 10 Prozent, im Alter von 100 bei 35, im Alter von 105 bei 50. Und so weiter? Nein, die italienischen Daten weisen auf ein „MortalitätsPlateau“, das mit 105 Jahren erreicht ist: Das Risiko, im Folgejahr zu sterben, steigt nicht mehr, es bleibt konstant bei 50 Prozent (Science 28. 6.).
Das lasse „stark vermuten, dass die Lebensdauer weiter wächst und dass eine Grenze, wenn es eine gibt, noch nicht erreicht ist“, schließt Barbi. Nicht alle stimmen zu, Vijg etwa bleibt dabei, dass „die Decke erreicht“sei. Das sah, allen Methusalems zum Trotz, auch der HERR so (1. Mose 6, 1): „Mein Geist soll nicht immer im Menschen walten, seine Lebenszeit sei 120 Jahre.“