Drei Liebhaber treffen sich im Kleiderschrank
Festspiele Reichenau. Die kabarettistische Revue „Schau’n Sie sich das an“von Nicolaus Hagg und Miguel Herz-Kestranek fiel teils witzig, teils enttäuschend aus.
Alte Liebe rostet nicht? Manchmal schon. Die Festspiele Reichenau erinnern zum Auftakt an ihre Anfänge vor 30 Jahren mit Karl Farkas. Seine Programme waren Kult, auf der Bühne wie im TV. Vielen stand der freundliche Satiriker näher als die schon im Nachkriegskabarett starke Konkurrenz von Qualtinger, Bronner, Wehle & Co. Helmut Qualtinger, dessen Auftritte, etwa als Herr Karl, heute legendär sind, hatte auch Feinde. Viele fanden ihn derb und provokant. Farkas schätzten fast alle, er sah aus wie ein Herr, mischte US-Entertainment und Politik-Sketches, griff aber nie wirklich heikle Themen auf wie die Verdrängung der NS-Zeit. Der hochmusikalische Künstler konnte 1940 nach New York fliehen, sein Kollege Fritz Grünbaum starb im KZ.
China-Girls und 12 Akte Komödie
Seit Montagabend ist im Reichenauer Theater „Schau’n Sie sich das an“zu sehen, der Spruch war Farkas’ Markenzeichen. Ein Theaterdirektor wartet auf eine neue Revue, ein Dichter schlägt ihm fünfzig chinesische Girls vor und eine Paraphrase auf „Othello“– zu teuer! – ein anderer sucht ihn morgens um drei Uhr auf und liest dem entsetzten Prinzipal eine Komödie in 12 Akten vor – mit vorgehaltener Pistole. Die Textschreiber können ihre Vierteln nicht zahlen – und es gibt einige Sticheleien gegen die türkisblaue Regierung.
Highlights sind etwa der Sketch „Korruption“oder drei honorige Herren, die sich im Gefängnis treffen, auch „Im Kleiderkasten“amüsiert, ein Mini-Feydeau. Die Festspiele könnten es einmal mit einer französischen Komödie probieren. Hier sind die Frauenfiguren teilweise eine Katastrophe. Eine Dirne beklagt röhrend ihren Abstieg, ein Mädchen aus Jedlesee zwitschert, sie wolle „aus dem Milieu heraus“, zum Film – und im „Hotel zur blauen Rose“stehen zwei Knöpferlschuhe vor einer Tür und Stiefel kommen zu Besuch, was könnten die vorhaben? Falsch geraten!
Frauen waren bis weit in die KreiskyZeit stark definiert durch den Mann, gern wurde dessen Jagdleidenschaft auf junges Blut und die böse Alte belacht. Soviel hat sich an den Verhältnissen jetzt auch wieder nicht geändert, sehr wohl aber der Stil.
Frauen werden heute im Kabarett völlig anders dargestellt, in ihren Soloabenden machen sie sich über die Männerwelt lustig – und umgekehrt. Maria Schuchter und Chris Pichler sind im Reichenauer Theater als klischeehafte Puppen eher zu bedauern. Sie bleiben auch weit unter der Wirkung von Großkalibern der alten Zeit wie Cissy Kraner oder Louise Martini.
Nicolaus Hagg und Miguel Herz-Kestranek haben aus einer Flut von Material ausgewählt, außer Farkas gibt es Texte von Grünbaum, Hugo Wiener, Bela Laszky und so weiter. Hagg und Herz-Kestranek tragen, mit dem Kaffeehaus-Ober (Boris Eder) den Abend. Die köstlichste Herrenrolle hat aber der genrefremde Peter Matic´ ausgefasst, wobei „Der Hut“, in dem Vergleiche zwischen Frauen und Kopfbedeckungen gezogen werden, eher schaurig ist. Entzückend hingegen, wie Matic,´ im echten Leben ein Bilderbuch-Ehemann, verliebt seine Gattin besingt. Gegen Schluss absolviert Boris Eder eine atemberaubend zungenbrecherische Tour auf dem Radl. Insgesamt ein gemischtes Erlebnis, das zeigt, dass auch das beste Kabarett altert.