Die Presse

Von der Bühne zum Buch

Als Schauspiel­er war der Deutsche auch in Wien zu sehen, in seinem Debütroman erzählt er von einer Kindheit in den 70er-Jahren.

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„Fauler Gott. Fauler Kackgott“, denkt sich der elfjährige Benjamin in Stephan Lohses Romandebüt, als er vor dem Sarg seines kleinen Bruders sitzt. Der Engel auf dem Sarg, erklärt ihm die Mutter, erinnere daran, dass Gott einen Engel gebraucht hat und sich dafür Benjamins Bruder ausgesucht hat. Benjamin regt das auf. Wozu braucht Gott so viele Engel, die seine Arbeit machen? Es gibt im Himmel doch längst viel mehr Tote als Lebende auf der Erde!

Lohses „Ein fauler Gott“, erschienen bei Suhrkamp im Frühling 2017, erzählt, wie Mutter und Sohn einen Verlust verarbeite­n, vom Hadern mit Gott und – aus der jeweiligen Perspektiv­e und mit viel Empathie – von kindlicher und erwachsene­r Verunsiche­rung und Sinnsuche. Dazu streut Lohse viel Lokal- und Zeitkolori­t aus der deutschen Provinz der 70er-Jahre, von den „Was ist was“-Büchern über Kord-Sofas bis zu Rex Gildos „Fiesta Mexicana“. Es ist die Zeit von Lohses eigener Kindheit, die er hier beschreibt: „Ich glaube, dass es meinem Gehirn wurscht ist, ob ich was erfinde oder was erinnere“, sagte der 1964 in Hamburg Geborene bei einer Lesung.

Lohse ist eigentlich Schauspiel­er, er hat am Max-Reinhardt-Seminar studiert und war u. a. am Thalia-Theater in Hamburg, der Berliner Schaubühne oder, in der Saison 2007/08, am Wiener Schauspiel­haus engagiert. Vom Schauspiel­ern unterschei­de sich das Schreiben gar nicht so sehr, sagte er einmal: „Für mein Empfinden tue ich nicht viel anderes als in den letzten zwanzig Jahren: Ich denke gründlich über Figuren nach. Ich habe lediglich das Medium gewechselt.“Dabei müsse er sich zwingen, nicht zu viel von anderen Autoren zu lesen – zu leicht würde er sonst beeinfluss­t. Seine Figuren gewinnt er manchmal (allzu) lieb: Als er auf Anraten seiner Lektorin eine Figur aus seinem Roman streichen sollte, schrieb er ihr eine Traueranze­ige. (kanu)

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