Keine lästigen Fragen für Rohani in Wien
Wirtschaft. Die USA setzen sich durch: Firmen flüchten aus dem Iran. Das Öl-Embargo könnte auch in Asien greifen.
Der Präsident Irans, Hassan Rohani, beteuerte in Wien, dass seine Regierung auch nach dem Ausstieg der USA am Atomabkommen festhalten wolle. Es müsse jedoch garantiert sein, dass der Iran vom Deal profitiere. Am Freitag sollen die Außenminister Irans, Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas und Russlands darüber verhandeln. Lästige Journalistenfragen musste sich Irans Präsident in Wien nicht gefallen lassen. Es waren keine zugelassen, weder bei Bundespräsident Van der Bellen noch bei Kanzler Kurz, bei dem Rohani mit bizarren Äußerungen zu Israel auffiel.
Den Atomdeal mit dem Iran retten, obwohl US-Präsident Trump ihn aufgekündigt hat: Das erklärte Ziel der EU war auch das große Thema beim Staatsbesuch von Hassan Rohani in Wien. Der iranische Präsident beteuerte, er wolle am Abkommen weiter festhalten. Aber in seiner Heimat brodelt es: Missliche Wirtschaftslage und Währungsverfall heizen den Machtkampf mit den konservativen Hardlinern an. Europa sollte also starke wirtschaftliche Anreize bieten, um die Zukunft des Abkommens abzusichern. An Gesten fehlte es nicht: Memoranden wurden unterschrieben, Bundespräsident Van der Bellen will den Austausch sogar „vertiefen“. Rohani selbst hielt in der Wirtschaftskammer einen Vortrag über „Perspektiven der wirtschaftlichen Kooperation“. Aber es zeigt sich immer klarer: Um solche Perspektiven ist es schlecht bestellt. Die wieder in Kraft tretenden US-Sanktionen, Trumps Öl-Embargo ab November: Das sind die harten Fakten, nach denen sich Firmen richten.
Rauchende Köpfe in Brüssel
Nicht, dass die Liste der verbotenen Sektoren nicht noch Raum für Geschäfte ließe. Lebensmittel, Pharma, Papier oder Ökostromerzeugung wären typische Bereiche, in denen auch in den alten Sanktionszeiten Handel und Investitionen möglich waren. Aber: „Das große Problem ist der Finanzsektor, und dafür gibt es derzeit keine Lösung“, erklärt Farid Sigari, der bei der Anwaltskanzlei Freshfields die internationale Iran-Gruppe leitet. Um Gelder in den Iran oder aus dem Land heraus zu bringen, braucht es ein Geldhaus als Mittler. Und keine größere Bank in Europa geht das Risiko ein, dass sie auf eine US-Liste jener Personen und Firmen gerät, mit denen Amerikaner keine Geschäfte machen dürfen. Denn damit wäre sie vom Bezug von US-Dollar abgeschnitten, was einem Todesurteil nahe käme. „In der EU-Kommission“, weiß Sigari, „rauchen die Köpfe“bei der Suche nach einem Ausweg.
Eine Idee: Die EZB könnte eine Tochter gründen, die für ein Netzwerk von Geschäftsbanken die Iran-Transaktionen in nicht sanktionierten Bereichen abwickelt. Das hätte „eine andere Dimension“: Die US- Regierung müsste dann eine öffentliche Institution angreifen, die auch aus US-Sicht legale Geschäfte abwickelt. Freilich bleibt das Konzept vage, und die Zeit drängt. Einfacher wäre es, bestehende Einrichtungen zu nutzen – wie die Europäische Investitionsbank, die aber vorerst abgewunken hat.
Nichts wie raus aus dem Iran heißt es bei den Unternehmen, die in den sanktionierten Sektoren tätig sind, wie den Automobilzulieferern. Bis 6. August gibt ihnen die US-Sanktionsbehörde Zeit, laufende Bestellungen abzuwickeln, geplante Neugeschäfte zu stoppen und Kooperationen aufzukündigen. Freilich haben die meisten für einen solchen Fall durch Ausstiegsklauseln in den Verträgen mit iranischen Partnern vorgesorgt. Aber sie geraten in eine „Zwickmühle“, sagt Sigari, weil ihnen nun auch Brüssel droht: Die „Blocking Regulation“verbietet es ihnen, Geschäfte auf Basis der Rechtsvorschriften von Drittstaaten zu verweigern oder zu beenden. Die EU-Kommission hat dieses „tote Recht“als Retourkutsche gegen Trump wieder ausgegraben. Ob sie aber ab August wirklich Strafen gegen europäische Firmen verhängt, bleibt für Sigari „eine spannende Frage“. Zwar wolle man in Brüssel keinesfalls „zahnlos“wirken, aber den Unternehmen doch lieber helfen als sie bestrafen. Etwa, indem man von den USA Rechtssicherheit einfordert und Ausnahmen erreicht – was in Washington auf taube Ohren stößt.
Das Debakel von ZTE schreckt ab
Am längeren Hebel scheint Trump auch beim Öl-Embargo zu sitzen. Ab 4. November soll kein Land mehr Erdöl aus dem Iran beziehen, sonst drohen Sanktionen. Bisher ging man davon aus, dass sich mit China und Indien die Hauptabnehmer iranischen Öls diesem Druck widersetzen. Aber die Signale weisen in die Gegenrichtung. So betont der Chef der India Oil Corporation, dass Saudi-Arabien die Mengen aus dem Iran zur Gänze ersetzen könne. Und Experte Sigari hört aus Bankenkreisen, dass chinesische Institute „keinen Appetit mehr darauf haben, Ölgeschäfte mit dem Iran abzuwickeln“. Das Beispiel ZTE „schreckt zu sehr ab“: Der chinesische Telekomausrüster ist erst von Trump und dann vom US-Kongress an den Rand des Ruins getrieben worden.
Das große Problem ist der Finanzsektor, und dafür gibt es derzeit keine Lösung. Farid Sigari, Iran-Experte bei der Kanzlei Freshfields