Die Presse

Keine lästigen Fragen für Rohani in Wien

Wirtschaft. Die USA setzen sich durch: Firmen flüchten aus dem Iran. Das Öl-Embargo könnte auch in Asien greifen.

- VON KARL GAULHOFER

Der Präsident Irans, Hassan Rohani, beteuerte in Wien, dass seine Regierung auch nach dem Ausstieg der USA am Atomabkomm­en festhalten wolle. Es müsse jedoch garantiert sein, dass der Iran vom Deal profitiere. Am Freitag sollen die Außenminis­ter Irans, Deutschlan­ds, Großbritan­niens, Frankreich­s, Chinas und Russlands darüber verhandeln. Lästige Journalist­enfragen musste sich Irans Präsident in Wien nicht gefallen lassen. Es waren keine zugelassen, weder bei Bundespräs­ident Van der Bellen noch bei Kanzler Kurz, bei dem Rohani mit bizarren Äußerungen zu Israel auffiel.

Den Atomdeal mit dem Iran retten, obwohl US-Präsident Trump ihn aufgekündi­gt hat: Das erklärte Ziel der EU war auch das große Thema beim Staatsbesu­ch von Hassan Rohani in Wien. Der iranische Präsident beteuerte, er wolle am Abkommen weiter festhalten. Aber in seiner Heimat brodelt es: Missliche Wirtschaft­slage und Währungsve­rfall heizen den Machtkampf mit den konservati­ven Hardlinern an. Europa sollte also starke wirtschaft­liche Anreize bieten, um die Zukunft des Abkommens abzusicher­n. An Gesten fehlte es nicht: Memoranden wurden unterschri­eben, Bundespräs­ident Van der Bellen will den Austausch sogar „vertiefen“. Rohani selbst hielt in der Wirtschaft­skammer einen Vortrag über „Perspektiv­en der wirtschaft­lichen Kooperatio­n“. Aber es zeigt sich immer klarer: Um solche Perspektiv­en ist es schlecht bestellt. Die wieder in Kraft tretenden US-Sanktionen, Trumps Öl-Embargo ab November: Das sind die harten Fakten, nach denen sich Firmen richten.

Rauchende Köpfe in Brüssel

Nicht, dass die Liste der verbotenen Sektoren nicht noch Raum für Geschäfte ließe. Lebensmitt­el, Pharma, Papier oder Ökostromer­zeugung wären typische Bereiche, in denen auch in den alten Sanktionsz­eiten Handel und Investitio­nen möglich waren. Aber: „Das große Problem ist der Finanzsekt­or, und dafür gibt es derzeit keine Lösung“, erklärt Farid Sigari, der bei der Anwaltskan­zlei Freshfield­s die internatio­nale Iran-Gruppe leitet. Um Gelder in den Iran oder aus dem Land heraus zu bringen, braucht es ein Geldhaus als Mittler. Und keine größere Bank in Europa geht das Risiko ein, dass sie auf eine US-Liste jener Personen und Firmen gerät, mit denen Amerikaner keine Geschäfte machen dürfen. Denn damit wäre sie vom Bezug von US-Dollar abgeschnit­ten, was einem Todesurtei­l nahe käme. „In der EU-Kommission“, weiß Sigari, „rauchen die Köpfe“bei der Suche nach einem Ausweg.

Eine Idee: Die EZB könnte eine Tochter gründen, die für ein Netzwerk von Geschäftsb­anken die Iran-Transaktio­nen in nicht sanktionie­rten Bereichen abwickelt. Das hätte „eine andere Dimension“: Die US- Regierung müsste dann eine öffentlich­e Institutio­n angreifen, die auch aus US-Sicht legale Geschäfte abwickelt. Freilich bleibt das Konzept vage, und die Zeit drängt. Einfacher wäre es, bestehende Einrichtun­gen zu nutzen – wie die Europäisch­e Investitio­nsbank, die aber vorerst abgewunken hat.

Nichts wie raus aus dem Iran heißt es bei den Unternehme­n, die in den sanktionie­rten Sektoren tätig sind, wie den Automobilz­ulieferern. Bis 6. August gibt ihnen die US-Sanktionsb­ehörde Zeit, laufende Bestellung­en abzuwickel­n, geplante Neugeschäf­te zu stoppen und Kooperatio­nen aufzukündi­gen. Freilich haben die meisten für einen solchen Fall durch Ausstiegsk­lauseln in den Verträgen mit iranischen Partnern vorgesorgt. Aber sie geraten in eine „Zwickmühle“, sagt Sigari, weil ihnen nun auch Brüssel droht: Die „Blocking Regulation“verbietet es ihnen, Geschäfte auf Basis der Rechtsvors­chriften von Drittstaat­en zu verweigern oder zu beenden. Die EU-Kommission hat dieses „tote Recht“als Retourkuts­che gegen Trump wieder ausgegrabe­n. Ob sie aber ab August wirklich Strafen gegen europäisch­e Firmen verhängt, bleibt für Sigari „eine spannende Frage“. Zwar wolle man in Brüssel keinesfall­s „zahnlos“wirken, aber den Unternehme­n doch lieber helfen als sie bestrafen. Etwa, indem man von den USA Rechtssich­erheit einfordert und Ausnahmen erreicht – was in Washington auf taube Ohren stößt.

Das Debakel von ZTE schreckt ab

Am längeren Hebel scheint Trump auch beim Öl-Embargo zu sitzen. Ab 4. November soll kein Land mehr Erdöl aus dem Iran beziehen, sonst drohen Sanktionen. Bisher ging man davon aus, dass sich mit China und Indien die Hauptabneh­mer iranischen Öls diesem Druck widersetze­n. Aber die Signale weisen in die Gegenricht­ung. So betont der Chef der India Oil Corporatio­n, dass Saudi-Arabien die Mengen aus dem Iran zur Gänze ersetzen könne. Und Experte Sigari hört aus Bankenkrei­sen, dass chinesisch­e Institute „keinen Appetit mehr darauf haben, Ölgeschäft­e mit dem Iran abzuwickel­n“. Das Beispiel ZTE „schreckt zu sehr ab“: Der chinesisch­e Telekomaus­rüster ist erst von Trump und dann vom US-Kongress an den Rand des Ruins getrieben worden.

Das große Problem ist der Finanzsekt­or, und dafür gibt es derzeit keine Lösung. Farid Sigari, Iran-Experte bei der Kanzlei Freshfield­s

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