Die Presse

Seehofer hofft auf die Willigen

Asyl. Die Union konkretisi­ert ihre Pläne für „Transitzen­tren“. Um sie umzusetzen, brauchen CDU und CSU Verbündete – auch in Österreich. Innenminis­ter Seehofer reist heute für Gespräche an.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Die Union konkretisi­ert ihre Pläne für „Transitzen­tren“. Um sie umzusetzen, brauchen CDU und CSU Verbündete – auch in Österreich. Innenminis­ter Seehofer reist heute für Gespräche an.

Er musste zuerst fünf Minuten alleine auf der Regierungs­bank sitzen, dann kamen sie aber, einer nach dem anderen: Zuerst Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, dann CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Sie alle schüttelte­n Innenminis­ter Horst Seehofer die Hand, klopften ihm auf die Schulter, beglückwün­schten ihn. Nein, so groß war die Freude über Seehofers dochnicht-Rücktritt und die Einigung in der Union auch wieder nicht. Der Grund war viel profaner: Seehofer feierte am Mittwoch seinen 69. Geburtstag.

Das war es dann aber mit den Gratulatio­nen. Im Bundestag ging es an diesem Vormittag um den Staatshaus­halt, vor allem aber um Migration. In den vergangene­n drei Wochen richteten CSU und CDU einander Unfreundli­chkeiten aus. Jetzt waren die anderen dran. Auch die SPD.

„Wenn man neue Vorschläge hat, muss man sie mit dem Koalitions­partner besprechen“, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles bei ihrer Rede. „Wir wollen keine nationalen Alleingäng­e, wir wollen keine geschlosse­nen Lager.“Der Aufenthalt in den Einrichtun­gen müsse so kurz wie möglich sein.

SPD muss sich entscheide­n

Das sagte sie in erster Linie in Richtung Union: CDU und CSU hatten ihren Koalitions­partner am Montagaben­d mit einem Kompromiss überrascht. An der bayrisch-österreich­ischen Grenze sollen Transitzen­tren entstehen, in denen Flüchtling­e überprüft werden. Wurden sie schon in einem anderen EU-Land registrier­t, sollen sie dort zurückgesc­hickt werden. Oder, falls der Staat nicht kooperativ ist, in Österreich bleiben.

Nun muss die SPD entscheide­n, ob sie diese Pläne mit ihren Idealen (vor allem jenen der kritischen Basis) vereinbare­n kann. Dass Nahles im Bundestag so bestimmt auftritt, ist also auch ein Signal an ihre eigenen Genossen: Man werde sich nicht alles von der Union gefallen lassen.

Tatsächlic­h wird Merkel später an diesem Tag, bei einem ARD-Interview, den Sozialdemo­kraten etwas entgegenko­mmen. Flüchtling­e sollen in den Zentren maximal 48 Stunden unter polizeilic­her Aufsicht festgehalt­en werden können. Innerhalb dieser Zeit „muss dann die Überstellu­ng in das andere Land erfolgt sein“, sagt sie. Das sei auch aus rechtliche­r Sicht wichtig. Außerdem soll es eigene Bereiche für Frauen und Kinder geben. Am Mittwochab­end will die Regierung weiter über Details verhandeln.

Ob es bei diesem Termin zu einer Einigung kommt ist fraglich. Auch, weil die Union bei der Umsetzung ihrer Pläne nicht nur auf die SPD angewiesen ist. CSU und CDU brauchen auch auf europäi- scher Ebene so viele Partner wie möglich. Sie sollen die Flüchtling­e rasch und möglichst unbürokrat­isch zurücknehm­en. Merkel empfängt dafür am Mittwoch gegen Mittag Ungarns Premier Viktor Orban´ in Berlin. Der will allerdings erst einem Deal zustimmen, wenn das auch ein anderes Land tut: Österreich – der vielleicht wichtigste Verhandlun­gspartner für die deutsche Regierung in der Frage.

Österreich ist skeptisch

Seehofer reist daher am Mittwoch nach Wien, um mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache und Innenminis­ter Herbert Kickl (beide FPÖ) zu verhandeln. Er hofft auch auf seine guten Kontakte nach Wien, immerhin hatte man schon eine gemeinsame Achse der Willigen ausgerufen. Nun gibt es aber Gesprächsb­edarf: Österreich hatte abgekündig­t, selbst an der Süd- grenze aktiv zu werden, falls Deutschlan­d die Pläne umsetzen würde. Auch, wenn Kontrollen dort „zweifellos eine Katastroph­e“wären, wie Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) meinte.

Am Brenner ist die Situation in diesem Jahr vergleichs­weise ruhig: Rund 2500 Flüchtling­e hat die Tiroler Polizei bisher aufgegriff­en. Das sind weniger als in der ersten Hälfte des Vorjahres. Doch der Pass könnte auch von der anderen Seite geschlosse­n werden. Die Regierung in Rom drohte mit eigenen Maßnahmen am Brenner, um die Einreise von Flüchtling­en aus dem Norden zu verhindern.

Will Deutschlan­d seine Pläne durchsetze­n, wird es also auch mit Rom eine Einigung finden müssen. Kommenden Mittwoch will Seehofer daher seinen italienisc­hen Amtskolleg­en treffen. Allerdings in Innsbruck, also nördlich des Brenners. Man weiß ja nie.

 ?? [ APA ] ?? Schon jetzt wird an der Grenze zwischen Bayern und Österreich kontrollie­rt. In Zukunft sollen hier „Transitzen­tren“entstehen.
[ APA ] Schon jetzt wird an der Grenze zwischen Bayern und Österreich kontrollie­rt. In Zukunft sollen hier „Transitzen­tren“entstehen.

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