Die Presse

Muss man sich beim Brückenbau­en wirklich so verbiegen?

Kontakte zum Iran sind nötig, um das Atomabkomm­en zu retten. Aber allzu gemütlich sollte es für den Präsidente­n eines Unrechtsre­gimes auch nicht sein.

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Mögen

die anderen doch streiten, das glückliche Österreich baut Brücken. So, oder so ähnlich, scheint man in Wien derzeit Österreich­s internatio­nale Politik zu sehen. Zumindest verkauft man sie so. Der Begriff Brückenbau­en wird stets bemüht. So hat etwa Bundeskanz­ler Sebastian Kurz angekündig­t, verbindend agieren zu wollen: in Richtung der Visegrad-´ Staaten in der EU – und auch in Richtung des russischen Präsidente­n, Wladimir Putin. Brückenbau­en ist ja grundsätzl­ich nichts Schlechtes – eher im Gegenteil. Doch man sollte immer darauf achten, wohin genau diese Übergänge führen.

Wenn es um den Iran geht, waren Österreich­s Politiker und Geschäftsl­eute schon immer wie Pioniere, die als Erste voranmarsc­hieren, um die Piloten für den Verbindung­ssteg über den tosenden Fluss zwischen dem Westen und Teheran einzuschla­gen. Das hat nicht nur mit dem Selbstvers­tändnis als neutraler Staat zu tun, sondern auch mit handfesten Wirtschaft­sinteresse­n.

So hat das offizielle Österreich nun Irans Präsidente­n, Hassan Rohani, mit allen Ehren empfangen. Bei den gemeinsame­n Pressekonf­erenzen Rohanis mit Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und Kanzler Kurz waren keine Journalist­enfragen zugelassen. Offenbar aus Rücksichtn­ahme auf den iranischen Gast, um ihm die Konfrontat­ion mit unangenehm­en Themen zu ersparen. Zumindest sollen die Iraner darauf gedrängt haben. Zugleich hat sich in Wien zuletzt die Unsitte eingeschli­chen, dass Pressekonf­erenzen mit internatio­nalen Besuchern immer wieder zu reinen Statement-Vorträgen verkommen. Das war etwa auch der Fall, als Kurz die letzten Male mit EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk vor die Journalist­en trat.

Unangenehm­e Themen hätte es jedenfalls genug gegeben, zu denen der iranische Präsident bei der Pressekonf­erenz Rede und Antwort hätte stehen sollen: Die Unterdrück­ung der Opposition. Die verheerend­e Menschenre­chtslage in seinem Land, das – nach China – weltweit führend bei Hinrichtun­gen ist. Die ständigen Drohungen gegenüber Israel und die immer aggressive­re iranische Machtpolit­ik in der Nahostregi­on. Und die Tatsache, dass soeben ein Botschafts­rat der irani- schen Vertretung in Wien in Deutschlan­d verhaftet worden ist. Weil er in Attentatsp­läne gegen iranische Opposition­elle in Frankreich verwickelt sein soll.

Dass Kontakte nach Teheran nötig sind, daran besteht kein Zweifel. Gerade jetzt, wenn es darum geht, das alles andere als perfekte und trotzdem wichtige Atomabkomm­en mit dem Iran zu retten. Für die Politik ist das stets ein Drahtseila­kt: Wie weit muss man dem Gegenüber in autoritäre­n Regimen entgegenko­mmen? Wo sind die roten Linien? Wenn es um Fragen der Menschenre­chte geht, sollte es jedenfalls keine Kompromiss­e geben. In der internatio­nalen Realpoliti­k sieht das aber leider meist anders aus.

Das Regime in Teheran hat seit seiner Machtübern­ahme das Blut zahlreiche­r Menschen vergossen – vor allem bei den Massenhinr­ichtungen nach der Revolution 1979. Und bei der Niederschl­agung einer kurdischen Revolte im Land. Der Anführer dieses Aufstands, Abdul Rahman Ghassemlou, wurde von einem iranischen Kommando ermordet – ausgerechn­et in Wien, vor fast genau 29 Jahren. Die Attentäter und Hintermänn­er des Anschlags wurden nie vor Gericht gestellt. Daran hatte man in Österreich, wo ja der Tatort war, kein besonderes Interesse. D er Iran ist eine Regionalma­cht. Teheran hält in wichtigen Fragen zumindest einen Teil der Fäden in der Hand. Ohne den Iran ist ein Ende des Konflikts im Jemen kaum herbeizufü­hren. Für Syrien gilt dasselbe. Nur militärisc­h wird man den Iran in beiden Krisenherd­en wohl nur schwer zurückdrän­gen können. Dafür ist er ein zu gewichtige­r Player. Ohne Kontakte und Brücken zur iranischen Führung wird es nicht gehen. Ob aber Österreich einflussre­ich genug ist, um diese zu bauen, sei dahingeste­llt.

Zugleich muss man dabei – trotz all der freundlich­en Miene von Präsident Rohani – immer im Hinterkopf präsent haben: In Teheran herrscht ein Regime, das die Menschenre­chte mit Füßen tritt.

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VON WIELAND SCHNEIDER

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