Die Presse

Griss fast immer anwesend, Kern nur selten

Statistik. Während manche Abgeordnet­e „Musterschü­ler“sind, glänzen andere bei Abstimmung­en mit Abwesenhei­t. Das zeigt eine Analyse aus 32 Plenarsitz­ungen. Frauen sind öfter anwesend, reden dürfen sie aber viel weniger.

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Beschimpfu­ngen, Angelobung­en ohne Frauen, fehlende Abgeordnet­e, Disziplina­rmaßnahmen innerhalb der Parteien: Das Zusammenle­ben der Abgeordnet­en im österreich­ischen Nationalra­t schien zuletzt schon turbulent zu sein. Und auch mit der Anwesenhei­t von Abgeordnet­en im Plenarsaal war man nicht allenorts zufrieden. Das führte mitunter schon zu Maßnahmen wie der „Abwesenhei­tsliste“, die der FPÖKlubche­f Norbert Nemeth für seine Abgeordnet­en einführte.

Aber wie steht es nun wirklich um die Motivation der Abgeordnet­en? Die Online-Recherchep­lattform „Addendum“hat Daten gesammelt, die die Anwesenhei­t der Nationalra­tsabgeordn­eten dokumentie­ren. Was auffällt: SPÖ-Abgeordnet­e sind bei Abstimmung­en besonders oft abwesend, die Liste der Musterschü­ler im Parlament wird von den Neos angeführt.

Mit Fotos dokumentie­rt

Seit der ersten Sitzung des Nationalra­ts in dieser Gesetzgebu­ngsperiode am 9. November 2017 hat „Addendum“den Sitzungssa­al bei jeder Abstimmung – es waren 358 in 32 Sitzungen – fotografie­rt. Es sind zwar nur Momentaufn­ahmen über die Anwesenhei­t im Plenum, aber sie zeigen klare Tendenzen. Irmgard Griss und Gerald Loacker, Abgeordnet­e der Neos, nahmen am häufigsten an Abstimmung­en teil. Beide erreichen eine Anwesenhei­tsquote von 99,7 Prozent. Am seltensten war ÖGB-Chef Wolfgang Katzian von der SPÖ im Haus. Er fehlte bei 73,5 Prozent der Abstimmung­en. Ihm folgen SPÖ-Klubobmann Christian Kern (69,27 Prozent) und Sepp Schellhorn von den Neos (68,44 Prozent).

„Manchmal muss man raus“

Natürlich lässt sich nicht allein von der Anwesenhei­t auf den Fleiß eines Abgeordnet­en schließen. Veranstalt­ungen und Besprechun­gen im Parlament finden auch während den Plenarsitz­ungen statt. Zudem kommt – wenn man etwa Parteichef ist – eine „Vielzahl an Verpflicht­ungen“hinzu, erklärte etwa Christian Kern. Deshalb werde er wohl „nie der Musterschü­ler sein können“. Robert Lugar (FPÖ), der mit 98,3 Prozent Anwesenhei­t ein fleißiger Abstimmer ist, versteht es, wenn man „manchmal raus muss“. Es gebe schließlic­h „gewisse Bedürfniss­e“. Dazu kommen persönlich­e Gründe: Der SPÖ-Abgeordnet­e Maurice Androsch etwa war we- gen eines schweren Autounfall­s für längere Zeit verhindert.

Im Schnitt weist der ÖVP-Klub die besten, der SPÖ-Klub die schlechtes­ten Anwesenhei­tsraten auf. Die Klubs dürften sich nach der Disziplin ihrer Chefs richten. Deren Reihung entspricht genau jener ihrer Klubs. In den einzelnen Klubs gibt es aber auch Ausreißer. Bei den sonst so fleißigen Neos sticht Sepp Schellhorn mit nur 31,6 Prozent Anwesenhei­t hervor. Die FPÖ-Abgeordnet­e Dagmar Belakowits­ch, steht mit 55,3 Prozent Anwesenhei­t wohl ganz oben auf der Liste von Klubchef Nemeth.

Frauen schweigen

Unter den 183 Abgeordnet­en des Nationalra­ts sind derzeit 65 Frauen. Obwohl die bei Abstimmung­en öfter im Plenum sitzen, dürfen sie verhältnis­mäßig weniger reden als ihre männlichen Kollegen. Dieses Phänomen zieht sich durch alle Klubs. Bei der SPÖ – der Partei mit dem höchsten Frauenante­il – wird es am deutlichst­en. Auf 47,2 Prozent Frauen im sozialdemo­kratischen Klub entfielen nur 41,6 Prozent der Redezeit. Nur bei der Liste Pilz war der Redezeitan­teil annähernd ausgeglich­en. (twi/epos)

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