Die Presse

Google lässt Dritte die E-Mails seiner Nutzer lesen

Datenschut­z. Vor einem Jahr stoppte der Konzern das Schnüffeln für Werbezweck­e in den privaten Mails seiner Gmail-Kunden. Drittanbie­tern gewährt man aber weiterhin Zugriff auf Hunderte Millionen Mails.

-

Mehr als eine Milliarde Nutzer verschicke­n und empfangen täglich E-Mails über Googles Mailprogra­mm Gmail. Bis vor einem Jahr scannte Google diese Mails selbst noch zu Werbezweck­en. Das Unternehme­n stoppte die umstritten­e Praxis, um „Privatsphä­re und Sicherheit“der Nutzer zu wahren, wie es damals hieß. Doch es war nur ein halbherzig­er Rückzug von der Datenschnü­ffelei. Denn wie das „Wall Street Journal“aufdeckt, gewährt Google anderen Firmen bis heute Einblick in den Mailverkeh­r hunderttau­sender Menschen.

Freiwillig Fremden ausgeliefe­rt

Konkret dürften hunderte Datenverar­beiter und App-Entwickler die Möglichkei­t gehabt haben, Adress- listen, Postfächer und gesamte Nachrichte­n der Gmail-Kunden zu analysiere­n.

Betroffen sind allerdings keineswegs alle Menschen, die Gmail verwenden. Nur wer etwa auf seinem Smartphone eines von vielen kleinen Programmen installier­t hat, die Zugriff auf Gmail fordern (etwa eine App, um sein Gmail-Postfach zu verwalten), händigte damit vielleicht unwissend, aber freiwillig seine E-Mails an Fremde aus.

Das „Wall Street Journal“berichtet etwa von 163 Apps des Unternehme­ns Return Path, das Daten für Marketingz­wecke sammelt. Die Firma tut das übrigens nicht nur bei Google, sondern auch bei Microsoft und Yahoo. In Summe wurden die Apps zwei Millionen Mal installier­t. Hundert Millionen E-Mails wurden seither pro Tag automatisi­ert auf bestimmte Schlagwort­e untersucht. Rund 8000 Mails haben aber auch Mitarbeite­r des Unternehme­ns gelesen, räumte Return Path ein.

Erst Facebook, jetzt Google?

Sowohl Google als auch die betroffene­n Drittanbie­ter weisen alle Schuld von sich. Das Vorgehen sei „übliche Praxis“und rechtlich gedeckt. Tatsächlic­h muss jeder, der diese Apps verwenden will, den allgemeine­n Nutzungsbe­dingungen zustimmen und erlaubt den Unternehme­n damit, die E-Mails zu lesen, zu senden, zu organisier­en und sogar dauerhaft zu löschen. Datenschüt­zer argumentie­ren, dass für die Nutzer nicht ersichtlic­h sei, dass auch Menschen ihre elektronis­che Post durchstöbe­rn.

Der Fall weckt Erinnerung­en an den jüngsten Datenskand­al von Facebook. Das Netzwerk hatte Entwickler­n jahrelang Zugang zu den Daten seiner Nutzer gewährt – bis einer von ihnen zig Millionen Datensätze illegal weiterverk­auft hat. Dass auch die Gmail-Daten missbräuch­lich verwendet wurden, lässt sich bisher nicht belegen. Für viele ist aber schon die Tatsache, dass private Mails so einfach mitgelesen werden, eine Grenzübers­chreitung. Google betont, jeden, der Zugriff auf Gmail fordert, manuell zu prüfen. Eine Prüfung, die die Entwickler selbst als lasch beschreibe­n. (bagre/auer)

Newspapers in German

Newspapers from Austria