Selbstständig oder angestellt?
Positionspapier. Eine Fachgruppe der Kammer hat einen Vorschlag erstellt, wie man besser zwischen Dienstnehmern und Freiberuflern abgrenzen könnte. Alle Fraktionen machten mit.
Auch das gibt es: fünf Fraktionen quer durchs politische Spektrum, die ein gemeinsames Positionspapier zu einer arbeitsrechtlichen Streitfrage verabschieden. Und zwar zur Abgrenzung von selbstständiger und unselbstständiger Arbeit – Stichwort Zwangsanstellungen, Stichwort Scheinselbstständigkeit. Es geht also um ein Thema, das für Polithickhack durchaus gut wäre – und auch schon war. Im relativ kleinen Kreis schaffte man es aber anders: Die Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung, IT der Wirtschaftskammer Wien (Ubit) arbeitete einen überfraktionellen Vorschlag dazu aus.
Mit an Bord waren nicht nur Wirtschaftsbund, Unos (Neos) und die parteiunabhängige Plattform freemarkets.at, sondern auch Sozialdemokraten und Grüne. Damit sei „sichergestellt, dass auch die Kleinen nicht übervorteilt werden“, sagt Christian Ebner, der für freemarkets.at im Fachgruppenausschuss sitzt. Vor allem soll es zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit klarere Abgrenzungskriterien als bisher geben. Das stehe auch im Regierungsprogramm, sagt Ebner.
Der Vorschlag enthält zunächst sogenannte Positivkriterien: Erfüllt man davon auch nur eines, soll man, so man es will, selbstständig tätig sein dürfen. Das beginnt bei einem hohen Einkommen: Liege es jenseits der Höchstbemessungsgrundlage, solle man die Wahlfreiheit haben, ob man angestellt oder selbstständig sein wolle, sagt Fachgruppenobmann Martin Puaschitz (Wirtschaftsbund). Bei Stundensätzen von 100 Euro und mehr fehle die Schutzbedürftigkeit. „Wir wollen nicht, dass Maurer als Selbstständige arbeiten. Aber ein hoch dotierter Unternehmensberater, Trainer oder Coach soll es dürfen, wenn er möchte.“Und zwar unabhängig davon, ob er aktuell nur einen Auftraggeber oder mehrere hat. Weitere positive Kriterien betreffen Gesellschafter von Kapitalgesellschaften: Wer in einer Firma werkt, an der er mindestens 25 Prozent der Anteile hält, soll als selbstständig gelten. Und wer mindestens zehn Prozent hält, soll ein Optionsrecht auf Selbstständigkeit haben, wenn kein anderer Gesellschafter mehr als 25 Prozent der Anteile besitzt, es also keinen übermächtigen Anteilseigner gibt.
Schließlich sollen auch Personen, die im Hauptberuf für mindestens 20 Wochenstunden angestellt sind, nebenberuflich auf selbstständiger Basis dazuverdienen dürfen – nur nicht beim eigenen Arbeitgeber oder in einem verbundenen Unternehmen. Missbrauch gelte es zu vermeiden, sagt Ebner. Davon abgesehen, brauche aber jemand, der schon eine Anstellung hat, beim Nebenerwerb keinen besonderen Schutz.
Trifft keines der positiven Kriterien zu, soll – wie bisher – geprüft werden, ob die Charakteristika selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit überwiegen. Und zwar in Form einer „ganzheitlichen Betrachtung“anhand eines taxativen Kriterienkatalogs. Folgende Indizien würden demnach für Selbstständigkeit sprechen: eine aktive Gewerbeberechtigung, ein eigenständiger Marktauftritt, mit dem man um Kunden wirbt, weiters das Vorhandensein mehrerer Auftraggeber, wobei vom Umsatz der vergangenen drei Jahre auf jeden Kunden weniger als 50 Prozent entfallen müssen. Man brauchte in dieser Zeit also mindestens drei Auftraggeber.
Ein weiteres Kriterium soll, wie bisher, der Einsatz eigener oder angemieteter Betriebsmittel sein, aber auch – und das ist neu – die Anwendung erworbenen Wissens oder eigener Talente. Das einseitige Abstellen darauf, wem das „Werkzeug“gehört, mit dem man arbeitet, passe für viele Dienstleistungsberufe nicht mehr, sagt Puaschitz: „Oft ist das Hirn wichtiger als die Tastatur, auf der man tippt.“Wie auch derzeit schon, soll es zudem darauf ankommen, ob man selbst das wirtschaftliche Risiko für seine Arbeit trägt, also z. B. für einen Arbeitserfolg bezahlt wird, und nicht für die Arbeitszeit. Und schließlich darauf, ob man die Freiheit hat, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Aus Sicht der Ubit wäre das – nach dem seit Juli 2017 geltenden Sozialversicherungszuordnungsgesetz – ein weiterer Schritt zu mehr Rechtssicherheit und Selbstbestimmung. „Niemand soll zwangsangestellt werden, niemand scheinselbstständig sein“, sagt Ebner. Eine Diskussionsgrundlage ist das Papier allemal. Bei einem weiteren Punkt, der in dem Konzept steht, sind sich die Protagonisten jedoch einig, dass er kaum realistisch ist: dass nur noch Gerichte diese Frage entscheiden sollen, und nicht mehr die Abgabenbehörden. Auch wenn künftig nur die Finanzämter und nicht mehr die Gebietskrankenkassen prüfen, die quasi selbst Partei sind, sei das ein Fortschritt, meint man bei der Ubit. Und das stehe immerhin im Regierungsprogramm.