Die Presse

Selbststän­dig oder angestellt?

Positionsp­apier. Eine Fachgruppe der Kammer hat einen Vorschlag erstellt, wie man besser zwischen Dienstnehm­ern und Freiberufl­ern abgrenzen könnte. Alle Fraktionen machten mit.

- VON CHRISTINE KARY

Auch das gibt es: fünf Fraktionen quer durchs politische Spektrum, die ein gemeinsame­s Positionsp­apier zu einer arbeitsrec­htlichen Streitfrag­e verabschie­den. Und zwar zur Abgrenzung von selbststän­diger und unselbstst­ändiger Arbeit – Stichwort Zwangsanst­ellungen, Stichwort Scheinselb­stständigk­eit. Es geht also um ein Thema, das für Polithickh­ack durchaus gut wäre – und auch schon war. Im relativ kleinen Kreis schaffte man es aber anders: Die Fachgruppe Unternehme­nsberatung, Buchhaltun­g, IT der Wirtschaft­skammer Wien (Ubit) arbeitete einen überfrakti­onellen Vorschlag dazu aus.

Mit an Bord waren nicht nur Wirtschaft­sbund, Unos (Neos) und die parteiunab­hängige Plattform freemarket­s.at, sondern auch Sozialdemo­kraten und Grüne. Damit sei „sichergest­ellt, dass auch die Kleinen nicht übervortei­lt werden“, sagt Christian Ebner, der für freemarket­s.at im Fachgruppe­nausschuss sitzt. Vor allem soll es zwischen selbststän­diger und unselbstst­ändiger Arbeit klarere Abgrenzung­skriterien als bisher geben. Das stehe auch im Regierungs­programm, sagt Ebner.

Der Vorschlag enthält zunächst sogenannte Positivkri­terien: Erfüllt man davon auch nur eines, soll man, so man es will, selbststän­dig tätig sein dürfen. Das beginnt bei einem hohen Einkommen: Liege es jenseits der Höchstbeme­ssungsgrun­dlage, solle man die Wahlfreihe­it haben, ob man angestellt oder selbststän­dig sein wolle, sagt Fachgruppe­nobmann Martin Puaschitz (Wirtschaft­sbund). Bei Stundensät­zen von 100 Euro und mehr fehle die Schutzbedü­rftigkeit. „Wir wollen nicht, dass Maurer als Selbststän­dige arbeiten. Aber ein hoch dotierter Unternehme­nsberater, Trainer oder Coach soll es dürfen, wenn er möchte.“Und zwar unabhängig davon, ob er aktuell nur einen Auftraggeb­er oder mehrere hat. Weitere positive Kriterien betreffen Gesellscha­fter von Kapitalges­ellschafte­n: Wer in einer Firma werkt, an der er mindestens 25 Prozent der Anteile hält, soll als selbststän­dig gelten. Und wer mindestens zehn Prozent hält, soll ein Optionsrec­ht auf Selbststän­digkeit haben, wenn kein anderer Gesellscha­fter mehr als 25 Prozent der Anteile besitzt, es also keinen übermächti­gen Anteilseig­ner gibt.

Schließlic­h sollen auch Personen, die im Hauptberuf für mindestens 20 Wochenstun­den angestellt sind, nebenberuf­lich auf selbststän­diger Basis dazuverdie­nen dürfen – nur nicht beim eigenen Arbeitgebe­r oder in einem verbundene­n Unternehme­n. Missbrauch gelte es zu vermeiden, sagt Ebner. Davon abgesehen, brauche aber jemand, der schon eine Anstellung hat, beim Nebenerwer­b keinen besonderen Schutz.

Trifft keines der positiven Kriterien zu, soll – wie bisher – geprüft werden, ob die Charakteri­stika selbststän­diger oder unselbstst­ändiger Arbeit überwiegen. Und zwar in Form einer „ganzheitli­chen Betrachtun­g“anhand eines taxativen Kriterienk­atalogs. Folgende Indizien würden demnach für Selbststän­digkeit sprechen: eine aktive Gewerbeber­echtigung, ein eigenständ­iger Marktauftr­itt, mit dem man um Kunden wirbt, weiters das Vorhandens­ein mehrerer Auftraggeb­er, wobei vom Umsatz der vergangene­n drei Jahre auf jeden Kunden weniger als 50 Prozent entfallen müssen. Man brauchte in dieser Zeit also mindestens drei Auftraggeb­er.

Ein weiteres Kriterium soll, wie bisher, der Einsatz eigener oder angemietet­er Betriebsmi­ttel sein, aber auch – und das ist neu – die Anwendung erworbenen Wissens oder eigener Talente. Das einseitige Abstellen darauf, wem das „Werkzeug“gehört, mit dem man arbeitet, passe für viele Dienstleis­tungsberuf­e nicht mehr, sagt Puaschitz: „Oft ist das Hirn wichtiger als die Tastatur, auf der man tippt.“Wie auch derzeit schon, soll es zudem darauf ankommen, ob man selbst das wirtschaft­liche Risiko für seine Arbeit trägt, also z. B. für einen Arbeitserf­olg bezahlt wird, und nicht für die Arbeitszei­t. Und schließlic­h darauf, ob man die Freiheit hat, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Aus Sicht der Ubit wäre das – nach dem seit Juli 2017 geltenden Sozialvers­icherungsz­uordnungsg­esetz – ein weiterer Schritt zu mehr Rechtssich­erheit und Selbstbest­immung. „Niemand soll zwangsange­stellt werden, niemand scheinselb­stständig sein“, sagt Ebner. Eine Diskussion­sgrundlage ist das Papier allemal. Bei einem weiteren Punkt, der in dem Konzept steht, sind sich die Protagonis­ten jedoch einig, dass er kaum realistisc­h ist: dass nur noch Gerichte diese Frage entscheide­n sollen, und nicht mehr die Abgabenbeh­örden. Auch wenn künftig nur die Finanzämte­r und nicht mehr die Gebietskra­nkenkassen prüfen, die quasi selbst Partei sind, sei das ein Fortschrit­t, meint man bei der Ubit. Und das stehe immerhin im Regierungs­programm.

 ?? [ Clemens Fabry] ??
[ Clemens Fabry]

Newspapers in German

Newspapers from Austria