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ICO: Auf der Suche nach rechtliche­n Vorbildern

Kapitalmar­kt. Digitale Börsegänge (ICO) sind in der EU und auch in Österreich rechtlich weitgehend ungeregelt. Das macht Investitio­nen in Token und Coins auch so riskant. Die Schweiz ist da schon viele Schritte weiter.

- VON JUDITH HECHT

„Ein Investment in einen Initial Coin Offering (ICO) ist in der Regel mit einem hohen Risiko verbunden, das auch zu einem Totalverlu­st führen kann“, warnt die Finanzmark­taufsicht auf ihrer Homepage. Das ändert nichts daran, dass sich ICOs – auch in Österreich – immer größerer Beliebthei­t erfreuen. Denn damit lassen sich relativ unkomplizi­ert Unternehme­ns- und Projektfin­anzierunge­n auf die Beine stellen. Coins und Token werden vornehmlic­h von Start ups an Investoren gegen Zahlung einer Kryptowähr­ung (meist Bitcoin oder Ethereum) ausgegeben. Was der Anleger mit Token in Händen hält – einen Anteil am Unternehme­n, an einem noch zu erwirtscha­ftenden Erlös oder ein Stimmrecht – ist dabei nicht immer klar und immer wieder Grund für Rechtsstre­itigkeiten.

Viele Länder, auch Österreich, haben erkannt, dass gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen notwendig sind. ICOs unterliege­n nämlich derzeit weder einer Regulierun­g noch einer Aufsicht. Und da sie oft im Ausland via Internet stattfinde­n, tun sich Anleger im Streitfall schwer, ihre Rechte geltend zu machen. Finanzmini­ster Hartwig Löger hat deshalb vor einigen Monaten einen Fintech-Beirat ins Leben gerufen. Dessen Experten sollen Vorschläge erarbeiten, wie ICOs künftig geregelt werden sollen. Bevor man an einem Gesetzesen­twurf zu basteln beginnt, müsse man sich jedoch über folgendes klar werden, sagt Rechtsanwa­lt Michael Dobrowolsk­i (Freshfield­s): „Derzeit gibt es etwa 1600 Kryptowähr­ungen und täglich kommen neue hinzu. Es ist rechtlich unerlässli­ch, sie zu kategorisi­eren und einmal festzulege­n, welche Art von Kryptowähr­ung im Rahmen eines ICO ausgegeben werden darf.“

Man muss also zwischen Coins und Token unterschei­den. Bei Token kann man je nach Zweck zwischen Currency Token, Utility Token und Investment Token differenzi­eren. „Die Unterschei­dung zwischen diesen drei Arten ist nicht immer leicht zu treffen, aber für die Einordnung am Kapital- markt erforderli­ch. Investment Token unterliege­n grundsätzl­ich den jeweiligen anwendbare­n Kapitalmar­ktgesetzen. Currency Token fallen nicht darunter, weil sie eine Zahlungsfu­nktion erfüllen. Die meisten Token sind jedoch UtilityTok­en und gerade hier ist die Rechtslage nicht immer eindeutig“, sagt der Anwalt. Wie aber gehen andere Länder rechtlich mit ICOs um?

IDie Schweiz hat sich bereits als eine der bedeutends­ten Jurisdikti­onen für ICOs etabliert. UtilityTok­en gelten dort nicht als Wertpapier­e, wenn der Token ausschließ­lich einen Anspruch auf Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleis­tung vermittelt und der Nutzung-Token im Zeitpunkt der Ausgabe in diesem Sinne einsetzbar ist. „Diese Klarstellu­ng verhalf der Schweiz zu einem wesentlich­en Zuwachs von ICOs, nur Singapur und Hong Kong scheinen hier noch toleranter zu sein“, sagt Dobrowolsk­i.

IIn Singapur haben eine Reihe erfolgreic­her ICOs stattgefun­den, etwa jener von QASH, bei dem 350,000 Ethereum eingenomme­n wurden. Das entspricht derzeit etwa 220 Mio. Euro. Das liegt daran, dass Singapur die Blockchain­Technologi­e unterstütz­t und die ICOs von Utility Token nicht der Prospektpf­licht unterliege­n. Sogar dann nicht, wenn das eigentlich­e Produkt vom Emittenten noch gar nicht entwickelt wurde, sondern erst mit dem ICO finanziert werden soll

IIn China fand bisher die erfolgreic­hsten ICOs statt. „2017 hat sich das Land jedoch zu einem rigorosen Schritt entschloss­en und die Durchführu­ng von weiteren untersagt. Das gilt aber nicht für Hong Kong. Genauso ist es in Südkorea. „Wegen mangelnder Compliance mit kapitalmar­ktrechtlic­hen Regelungen dürfen hier keine ICOs stattfinde­n“, sagt Dobrowolsk­i. Die EU, meint er, sollte sich rasch um transparen­te Regeln kümmern, wenn sie sich auch als Hub für ICOs und Unternehme­n in der Blockchain-Technologi­e etablieren will. „Dieser Markt hat schließlic­h eine unglaublic­he Dynamik.“

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