„Musik-Theater, Herr Direktor!“
Jubiläum. Burg-Doyen Michael Heltau feiert heute seinen 85. Geburtstag. Der „Wiener aus Ingolstadt“ist spielend und singend zu einer unverwechselbaren Institution geworden.
Theater, Schauspielerei, ja! Doch einem Heltau kommt man nur mittels kontrapunktischer Arbeit bei. Deshalb schreibt, pardon, doch der Musikkritiker, der natürlich den Doyen des Burgtheaters mit Freude erlebt hat, als er noch nicht Doyen war, die Direktoren aber imstande waren, Produktionen anzusetzen, in denen Michael Heltau noch theaterspielen wollte.
So unzensuriert würde er das nie gesagt haben. Aber die Zeiten, als man noch Stücke und nicht Variationen auf dieselben gab, die Zeiten von Schnitzler und Goldoni, Shakespeare und Molnar,´ von Kari Bühl und Onkel Wanja, die sind vorbei.
Die Erinnerung an hinreißende Theaterabende aber verblasst nicht. Die zarte Poesie von – nein, eben nicht Jean-Pierre Ponnelles, sondern Alfred de Mussets „Man spielt nicht mit der Liebe“bleibt unverlierbar für alle, die dabei sein durften.
Und um die Verabsolutierung gleich wieder zu verrelativieren: Natürlich hatte das allerhand mit Ponnelle zu tun. Im Räderwerk von dessen Feinmechanik drehte sich die Kunst Michael Heltaus perfekt mit.
Das pure Theaterglück haben sein Publikum und er selbst wohl immer dann empfunden, wenn Schauspielerei und Bühnenzauber harmonisch verschmolzen. Weshalb die Begegnung mit Giorgio Strehler für den Darstellungskünstler Heltau gewiss die Erfüllung bedeutete: vom komödiantischen Sommerfrischenachtstraum der GoldoniTrilogie bis zum tragischen „Spiel der Mächtigen“– fragen Sie jetzt bitte nicht: Wie war das mit den „Variationen“? Es kommt immer darauf an, wer Shakespeare arrangiert!
Der Heinrich VI. in Salzburg war die Folge eines durch und durch musikalischen Ereignisses. Die erste Zusammenarbeit Heltaus und Strehlers für die Festspiele galt der „Entführung aus dem Serail“. Sie löste die seit Kaiser Josephs Anordnung zur Grün- dung des „Deutschen Nationalsingspiels“scheinbar unlösbare Frage, wie Sing und Spiel denn sinnvoll zu vereinen wären. Als hätte sie sich nie gestellt.
Das war ein Musiktheaterereignis. Denn die Vereinigung von Sprache und Musik, szenischer Aktion und jenes hingebungsvolle Lauschens, das in der Oper unabdingbar ist und nicht weginszeniert werden darf, schienen aus der Partitur heraus begriffen: Heltau, das war der Bassa Selim, den Mozart komponiert hatte, indem er die Sprechrolle ins Opernganze „rhythmisierte“.
Der grundmusikalische Michael Heltau hat das gespürt und verstand es umzusetzen. Von 1965 bis 1974 betreute Giorgio Strehler diese Festspiel-Legende, die Sängerstars wechselten, der Bassa blieb: Ohne Heltau war die Produktion für den Theatermagier nicht denkbar.
Wie für Heltau manches Wagnis nicht mehr denkbar war, als Strehler allzu früh starb. Nach dem Zauberer in Pirandellos „Riesen vom Berge“war vom lang in den Köpfen geisternden „Lear“nicht mehr die Rede. Heltau war nur noch ein Mal dazu zu bewegen, in einer Schauspielpremiere mitzuwirken. Seit bald zwei Jahrzehnten lässt sich der Doyen in seinem Haus – unter dem Motto „Auf d’Nacht, Herr Direktor!“– ausschließlich bei Solo-Abenden blicken.
Gesungen hat er ja sein ganzes Bühnenleben lang. Nicht nur Couplets. Nicht nur „Einlagen“. Weil ihm Sprache wie Musik ist, eroberte er sich auch die Welt des Chansons: Jacques Brel fand seinen kongenialen Interpreten selbst, bat Heltau, seine Lieder im deutschen Sprachraum zu singen.
Nicht zuletzt manch sensible Textübertragung des treuen Dramaturgen-Compagnons Loek Huisman trug dazu bei, dass die Chanson-Abende zu berührenden Ereignissen wurden. Und dass der geschichtsirrtümlicherweise in Ingolstadt geborene Wiener, den seine Karriere vom Reinhardt-Seminar über Würzburg und München an alle bedeutenden Bühnen seiner Stadt geführt hatte, vom Burg-Star nach und nach zum Inbegriff des Entertainers wurde.
Heltau braucht heute niemanden mehr um sich als seine großartigen „Theatermusiker“– zaubert große Szenen aus kleinsten Formen und sorgt dafür dass sich „alles dreht“in seinem ganz ihm eigenen, unverwechselbaren Musik-Theater.