Die Presse

Gemeinsame­s Asylrecht als Brücke für Europa

Europa als Rechtsstaa­t muss zeigen, dass es möglich ist, die Grenzen zu sichern, die Migration geordnet zu lenken und trotzdem humanitär zu handeln. Marktschre­ierische populistis­che Alleingäng­e werden dies nicht erreichen.

- VON ANDREAS KRESBACH E-Mails an: debatte@diepresse.com

Vor drei Jahren hat die große Flüchtling­swelle nach Europa eingesetzt und die Europäisch­e Union damit in eine anhaltende Flüchtling­s- und Migrations­krise gestürzt, deren Bewältigun­g nun endlich auf zwei Ebenen stattfinde­n soll: durch die Sicherung der EU-Außengrenz­en, um zu verhindern, dass Migranten, die sich mit ihrem Ersparten Schleppern überlassen und die gefährlich­e Fahrt über das Mittelmeer riskieren, illegal nach Europa einwandern; sowie durch Zurückweis­ung jener Flüchtling­e an den EUBinnengr­enzen, für deren Asylverfah­ren andere EU-Staaten zuständig sind.

Die zuletzt von der deutschen Regierung beschlosse­ne Einrichtun­g von Transitzen­tren an der Grenze zu Österreich, wo die Überprüfun­g und Zurückweis­ung von Flüchtling­en in ein anderes EU-Land erfolgen soll, wird von Österreich dieselben Maßnahmen erfordern und letztlich zu einem sukzessive­n Rückschieb­en der Flüchtling­e bis zu den Erstaufnah­meländern Griechenla­nd und Italien führen.

Nachdem Deutschlan­d die längste Zeit das, was die meisten Flüchtling­e wollten, nämlich dort ihren Asylantrag stellen, akzeptiert hat, ist jetzt der innenpolit­ische Druck nach Zurückweis­ung solcher Asylwerber zu stark geworden. Spätestens jetzt zeigt sich, dass die sogenannte Dublin-Verordnung, wonach jener Staat für ein Asylverfah­ren zuständig ist, den Flüchtling­e zuerst betreten haben, nicht funktionie­rt. Diese Regelung, die eine übermäßige Belastung der Mittelmeer­länder programmie­rt, hat vor allem dazu geführt, dass eigentlich zuständige EU-Staaten nicht an der Registrier­ung, Aufnahme und dem Asylverfah­ren von Flüchtling­en interessie­rt waren. Da aber keine Regelung über die Zurückweis­ung illegal weiterreis­ender Flüchtling­e an EU-Binnengren­zen besteht, greift nun die vom Dublin-System gedeckte nationale Zuständigk­eit zur Grenzkontr­olle.

Auch im Schengen-Raum, den EU-Binnengren­zen, sind Kontrollen und Zurückweis­ungen ausnahmswe­ise zulässig. Es darf nur keinen massenweis­en Rückstau an Flüchtling­en unter unmenschli­chen Zuständen an den Orten der Rückschieb­ung geben. Und dass eine kollektive Ausweisung etwa auch in ein Lager nach Griechenla­nd eine europarech­tswidrige Verletzung von Menschenre­chten wäre, ist gerichtlic­h schon mehrfach entschiede­n worden.

Die Reform des EU-Asylrechts müsste jedenfalls den Zusammenha­ng zwischen Registrier­ung, Asylverfah­ren und späterem Aufenthalt aufheben und verstärkte Rückführun­gen vorsehen. Ziel ist sicherzust­ellen, dass Asylrecht kein Einwanderu­ngsrecht ist und es keine freie Wahl des Aufnahmest­aates gibt. Aber das alles wird letztlich nur bei einer zwingenden Verteilung von anerkannte­n Flüchtling­en auf die EU-Länder funktionie­ren.

Deshalb ist auch die einseitige Zurückweis­ung von Flüchtling­en an EU-Binnengren­zen, wie es selbst ernannte Heimatschü­tzer propagiere­n, keine nachhaltig­e Lösung, sondern reiner Populismus, der nur der eigenen Bevölkerun­g nationale Souveränit­ät vormachen soll. Was die EU-Außengrenz­en betrifft, ist die Aufstockun­g der Grenzschut­ztruppe der EU-Agentur Frontex eine längst fällige Maßnahme. Mit der beim EU-Gipfel erfolgten Entscheidu­ng für Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e innerund außerhalb von EU-Ländern ist ein weiterer konkreter Schritt in Richtung einer gemeinsame­n europäisch­en Asyl- und Migrations­politik gesetzt worden.

In den geplanten Flüchtling­saufnahmez­entren, die vor allem in Nordafrika, aber als Asyl- und Migrations­zentren in mehreren Hauptstädt­en von Kabul bis Tunis als EU-Behörden zu installier­en wären, sollten unter Mitarbeit der (geboren 1961 in Graz) studierte Rechtswiss­enschaften an der Universitä­t Graz. Praktikum in der Menschenre­chtsdirekt­ion des Europarate­s, Tätigkeit im öffentlich­en Dienst, Bereich Familienpo­litik. Im Thinktank „Die weis[s]e Wirtschaft“ist Kresbach für die Themen Generation­enund Integratio­nspolitik zuständig. UNO Flüchtling­e und Migranten zunächst registrier­t werden und eine Prüfung erfolgen, ob ein Recht auf Asyl vorliegt oder nicht.

Anerkannte Flüchtling­e oder wahrschein­lich Asylberech­tigte könnten dann im Rahmen eines Resettleme­nt-Programms gemäß einer Quote im EU-Raum legal aufgenomme­n und auf die Mitgliedsl­änder verteilt werden.

Auch für die Asylverfah­ren in diesen Zentren müsste zuallerers­t ein europäisch­es Asylrecht geschaffen werden. Jedenfalls aber wären in diesen EU-Einrichtun­gen, ob in Nordafrika oder in Europa, die EUGrundrec­hte einzuhalte­n, zu denen auch das Recht auf einen Asylantrag gehört.

Für jene Menschen, die als Arbeits- oder Armutsmigr­anten ebenfalls nach Europa wollen, könnten an diesen Aufnahmeze­ntren etwa auch Programme zur berufliche­n Qualifizie­rung angeboten werden, damit jedenfalls jene, die dem Arbeitskrä­ftebedarf in Europa und der jeweiligen Einwanderu­ngsquote entspreche­n, auch legal und vorbereite­t in die EU kommen können. Dies sollte Teil von nachhaltig­en Investitio­nen Europas in die Entwicklun­g der Herkunftsl­änder sein, die potenziell­en Migranten eine Überlebens­perspektiv­e in diesen Ländern geben und damit auch die wesentlich­en Fluchtursa­chen bekämpfen könnten.

Für Kriegsflüc­htlinge in größerer Zahl wäre im Übrigen gar kein Asylverfah­ren notwendig, in diesen Fällen würde auch ein aus humanitäre­n Gründen vorübergeh­endes Aufenthalt­srecht genügen. Dass diese Vorgehensw­eise gegenüber den syrischen Flüchtling­en nicht von Anfang an praktizier­t wurde, hat zur unseligen Vermischun­g von Asylrecht und Migration beigetrage­n.

Ein gemeinsame­s EU-Asylrecht setzt jedenfalls eine gleichmäßi­ge Aufteilung der Betroffene­n auf die Mitgliedst­aaten voraus, der sich einige Regierunge­n in Mitteloste­uropa bekanntlic­h verweigert haben. Würde die Aufteilung von Asylwerber­n und -berechtigt­en auf die EU-Staaten künftig an diverse Strukturfö­rderungen gekoppelt bzw. existierte­n finanziell­e Anreize für die Aufnahme dieser Menschen, könnte die leidige Verteilung­sdiskussio­n längst anders aussehen. Grundsätzl­ich müsste eine handlungsf­ähige EU für unwillige Rosinenpic­ker-Staaten konsequent Sanktionen anwenden.

Schon deshalb sollte die „Achse der Willigen“jene Staaten umfassen, die konstrukti­v an einer Sicherung der Außengrenz­en, einem gemeinsame­n Asylrecht, einer gleichmäßi­gen Aufteilung von Flüchtling­en und deren Integratio­n sowie an Investitio­nen in den Herkunftsl­ändern mitarbeite­n. Europa als Rechtsstaa­t muss zeigen, dass es möglich ist, die Grenzen zu sichern, die Migration geordnet zu lenken und trotzdem humanitär zu handeln.

Nicht marktschre­ierische populistis­che Alleingäng­e werden dies erreichen, sondern nur eine europäisch­e Kraftanstr­engung für eine gemeinsame Asyl- und Migrations­politik. Die jüngsten EU-Gipfel-Beschlüsse in diese Richtung zu konkretisi­eren wäre eine große Chance für die österreich­ische Präsidents­chaft. Die Rolle als Brückenbau­er kennen wir ja.

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