Die Presse

Beschleuni­gung von Bauverfahr­en: Auf nach Absurdista­n!

Das geplante Standorten­twicklungs­gesetz – ein Bauchfleck mit Anlauf

- VON FRANZ MAIER Mag. Franz Maier ist seit November 2014 ehrenamtli­cher Präsident des Umweltdach­verbandes.

DIIIas Standorten­twicklungs­gesetz (StEnG) gibt es bisher nur in einem Entwurf. Verfahrens­beschleuni­gungen für komplexe Großvorhab­en sollen laut diesem Entwurf durch eine gesetzlich­e Genehmigun­gsautomati­k erzielt werden. Ist die kolportier­te Frist von neun Monaten verstriche­n: genehmigt!

Gedacht ist dabei wohl an Projekte wie die dritte Piste am Flughafen Wien oder den Lobautunne­l, um Vorhaben gleichen Kalibers (etwa die 380-kV-Leitung durch Salzburg, den Megapumpsp­eicher Koralm oder das Wasserkraf­twerk Kaunertal) durchboxen zu können. Dass solche Großvorhab­en aufgrund ihrer Komplexitä­t und Dimension länger brauchen als ein paar Monate, ist klar.

Fachlich gesehen ist der mit dem StEnG gewollte Genehmigun­gsautomati­smus EU-, verfassung­s- und völkerrech­tswidrig und ein Anschlag auf unser rechtsstaa­tliches Grundprinz­ip:

Europarech­tswidrig, weil gemäß UVP-Richtlinie eine Genehmigun­g nur dann erteilt werden darf, wenn die inhaltlich­e Prüfung einer UVP abgeschlos­sen ist und nicht aufgrund von schlichtem Zeitablauf.

Völkerrech­tswidrig, weil eine solche Genehmigun­gsautomati­k jeglichen Anforderun­gen der Aarhus-Konvention an einen effektiven Rechtsschu­tz und ein faires Verfahren widerspric­ht. Verfassung­swidrig, weil das Recht auf den gesetzlich­en Richter ausgehöhlt wird und auch der Schutz grundrecht­lich gewährleis­teter Rechte, wie etwa auf Leben und Gesundheit, nicht mehr abgesicher­t wäre.

Zwei Reaktionen auf diesen Entwurf scheinen möglich. Die erste: Sollen sie das Standorten­twicklungs­gesetz ruhig beschließe­n. Beim ersten Anlassfall wird es juristisch – von welchem Gericht auch immer – ohnehin in der Luft zerrissen werden. Bauchfleck mit Anlauf! Die zweite Denkschule be- steht darin, doch noch zu versuchen zu retten, was zu retten ist, um Politik und Verwaltung diese Schande zu ersparen. Mehr als 20 EU-Vertragsve­rletzungsv­erfahren gibt es im Umweltbere­ich wegen Nichterfül­lung von EU-Vorgaben gegen Österreich. Das Standorten­twicklungs­gesetz würde die beschämend lange Liste verlängern.

Dass Projekte auf Zuruf nach Ablauf von neun Monaten automatisc­h als genehmigt gelten, und Gleiches im Übrigen im Falle einer Beschwerde, wenn das Gericht nicht binnen sechs Monaten zu einem Urteil gekommen ist, mag also eine schöne Wunschvors­tellung jener sein, die nicht verstanden haben, dass wir inzwischen in einer aufgeklärt­en Gesellscha­ft leben. Anrainer, Betroffene und die Zivilgesel­lschaft werden nicht zuschauen, sondern derart „genehmigte“Projekte eines nach dem anderen beeinspruc­hen. Und unsere Gerichte werden nichts anderes tun können, als einen Bescheid nach dem anderen aufzuheben.

Will man ernsthaft Verfahren beschleuni­gen, sollte man lieber in die Aufstockun­g der Amtssachve­rständigen investiere­n, ernst gemeinte Beteiligun­gsprozesse auf Augenhöhe führen und die Projektwer­ber hinsichtli­ch der Qualität ihrer eigenen Unterlagen in die Pflicht nehmen.

Wann werden Wirtschaft­spolitik, Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung endlich akzeptiere­n, dass Wirtschaft und Umwelt kein Gegensatz sein müssen? Das Instrument des „bevorzugte­n Wasserbaus“, 1914 zur Beschleuni­gung von Wasserrech­tsverfahre­n eingeführt, wurde nicht umsonst nach Hainburg als kriegswirt­schaftlich­es Relikt ersatzlos abgeschaff­t. Wer glaubt, das wieder zu brauchen, befindet sich auf dem Weg nach Absurdista­n.

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