Beschleunigung von Bauverfahren: Auf nach Absurdistan!
Das geplante Standortentwicklungsgesetz – ein Bauchfleck mit Anlauf
DIIIas Standortentwicklungsgesetz (StEnG) gibt es bisher nur in einem Entwurf. Verfahrensbeschleunigungen für komplexe Großvorhaben sollen laut diesem Entwurf durch eine gesetzliche Genehmigungsautomatik erzielt werden. Ist die kolportierte Frist von neun Monaten verstrichen: genehmigt!
Gedacht ist dabei wohl an Projekte wie die dritte Piste am Flughafen Wien oder den Lobautunnel, um Vorhaben gleichen Kalibers (etwa die 380-kV-Leitung durch Salzburg, den Megapumpspeicher Koralm oder das Wasserkraftwerk Kaunertal) durchboxen zu können. Dass solche Großvorhaben aufgrund ihrer Komplexität und Dimension länger brauchen als ein paar Monate, ist klar.
Fachlich gesehen ist der mit dem StEnG gewollte Genehmigungsautomatismus EU-, verfassungs- und völkerrechtswidrig und ein Anschlag auf unser rechtsstaatliches Grundprinzip:
Europarechtswidrig, weil gemäß UVP-Richtlinie eine Genehmigung nur dann erteilt werden darf, wenn die inhaltliche Prüfung einer UVP abgeschlossen ist und nicht aufgrund von schlichtem Zeitablauf.
Völkerrechtswidrig, weil eine solche Genehmigungsautomatik jeglichen Anforderungen der Aarhus-Konvention an einen effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren widerspricht. Verfassungswidrig, weil das Recht auf den gesetzlichen Richter ausgehöhlt wird und auch der Schutz grundrechtlich gewährleisteter Rechte, wie etwa auf Leben und Gesundheit, nicht mehr abgesichert wäre.
Zwei Reaktionen auf diesen Entwurf scheinen möglich. Die erste: Sollen sie das Standortentwicklungsgesetz ruhig beschließen. Beim ersten Anlassfall wird es juristisch – von welchem Gericht auch immer – ohnehin in der Luft zerrissen werden. Bauchfleck mit Anlauf! Die zweite Denkschule be- steht darin, doch noch zu versuchen zu retten, was zu retten ist, um Politik und Verwaltung diese Schande zu ersparen. Mehr als 20 EU-Vertragsverletzungsverfahren gibt es im Umweltbereich wegen Nichterfüllung von EU-Vorgaben gegen Österreich. Das Standortentwicklungsgesetz würde die beschämend lange Liste verlängern.
Dass Projekte auf Zuruf nach Ablauf von neun Monaten automatisch als genehmigt gelten, und Gleiches im Übrigen im Falle einer Beschwerde, wenn das Gericht nicht binnen sechs Monaten zu einem Urteil gekommen ist, mag also eine schöne Wunschvorstellung jener sein, die nicht verstanden haben, dass wir inzwischen in einer aufgeklärten Gesellschaft leben. Anrainer, Betroffene und die Zivilgesellschaft werden nicht zuschauen, sondern derart „genehmigte“Projekte eines nach dem anderen beeinspruchen. Und unsere Gerichte werden nichts anderes tun können, als einen Bescheid nach dem anderen aufzuheben.
Will man ernsthaft Verfahren beschleunigen, sollte man lieber in die Aufstockung der Amtssachverständigen investieren, ernst gemeinte Beteiligungsprozesse auf Augenhöhe führen und die Projektwerber hinsichtlich der Qualität ihrer eigenen Unterlagen in die Pflicht nehmen.
Wann werden Wirtschaftspolitik, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung endlich akzeptieren, dass Wirtschaft und Umwelt kein Gegensatz sein müssen? Das Instrument des „bevorzugten Wasserbaus“, 1914 zur Beschleunigung von Wasserrechtsverfahren eingeführt, wurde nicht umsonst nach Hainburg als kriegswirtschaftliches Relikt ersatzlos abgeschafft. Wer glaubt, das wieder zu brauchen, befindet sich auf dem Weg nach Absurdistan.