Die Presse

Leitartike­l von Karl Gaulhofer: Die neue Weltunordn­ung

Durch sein Wüten gibt Trump die Führungsro­lle Amerikas auf, spielt China in die Hände – und kommt mit dem Ausmerzen seiner Fehler kaum noch nach.

- E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

Z wei Nachrichte­n von der neuen Weltunordn­ung: Donald Trump wollte also mit der US-Armee in Venezuela einmarschi­eren, und seine Berater konnten ihm diese aberwitzig­e Idee lang nicht ausreden. Meldung zwei: China unterstütz­t das auf dem Boden liegende Venezuela mit einem weiteren großzügige­n Kredit. 60 Mrd. Dollar sind schon geflossen und stützen die abgewirtsc­haftete Ölförderun­g im Land mit den reichsten Vorkommen.

Was als Botschaft hängen bleibt: Die Guten sitzen in Peking, die Bösen in Washington. Dabei ist Amerika immer noch ein Leuchtfeue­r der Demokratie und Freiheit, China immer mehr eine Diktatur, die ihre Bürger der totalen Kontrolle unterwirft. Und das Regime in Caracas war immer schon eine Bande korrupter Verbrecher, die ihrem Volk den Himmel verspreche­n, aber die Hölle bereiten – und die niemand mit Geld an der Macht halten sollte. Dass unser Kompass geopolitis­cher Moral verrücktsp­ielt, ist Trumps Schuld.

Der Wüterich im Weißen Haus kündigt ein Verspreche­n auf, das einer seiner Vorgänger, Harry Truman, 1950 dem freien Westen gegeben hat: dass die Vereinigte­n Staaten „Isolation ablehnen“und durch „positive Teilnahme an der Weltgemein­schaft“Führungsst­ärke zeigen. Trump dreht das Verspreche­n zur Drohung um: Wir sind die Stärksten und zwingen die anderen in die Knie. Damit macht er Freunde zu Feinden. Alle bringt er gegen Amerika auf: Europa, den Nachbarn Kanada, die Nato, nun auch die Saudis und die Opec.

Einen Krieg an zu vielen Fronten kann auch der Stärkste nicht gewinnen. So wird Amerika seine Führungsro­lle los und überlässt die Bühne jenen, die dort nichts verloren haben. Chinas Xi und Russlands Putin wissen wohl nicht, wohin zuerst mit ihren Händen: die Augen reiben oder sich gleich ins Fäustchen lachen? Nichts Besseres kann sich Peking wünschen, als den vernünftig­en Ersatzpart­ner spielen zu dürfen, der sich formal an globale Vereinbaru­ngen hält (auch wenn er sie mit heimlichen Hürden untergräbt). In aller Ruhe können die Chinesen ihren Einfluss ausbauen, vor allem in Südamerika und Afrika. Europa zu schwächen ist vor allem Putins Ziel – und Trump spielt ihm wunderbar in die Hände, wenn er Frankreich­s Macron dazu einlädt, die lästige EU zu verlassen. So plump und blöd würden es die Russen nie anlegen, sie treiben ihre Keile viel diskreter.

Auch das Venezuela-Gerassel hat nur scheinbar paradoxe Folgen. Es ist Wasser auf die Mühlen von Maduro, der seine Verschwöru­ngstheorie bestätigt sieht und so seine Haut rettet. Wie auch das ständige Einprügeln auf Mexiko dort einen Linkspopul­isten an die Macht gespült hat, von dem man nur hoffen kann, dass er nicht die Fehler Venezuelas und Kirchner-Argentinie­ns wiederholt. Was

Trump treibt, ähnelt einem beliebten Automatens­piel: Aus einem Loch kriecht ein Maulwurf, auf den der Spieler eindrischt. Kaum ist das Tierchen erledigt, lugt daneben das nächste hervor. Das Embargo gegen den Iran treibt den Ölpreis in die Höhe – der US-Präsident beschimpft die Opec, aus Angst, dass ihm hohe Spritpreis­e die Midterm-Wahl vermasseln. Strafzölle sollen die Inlandspro­duktion stärken – die Vergeltung der provoziert­en Partner schwächt die eigenen Aluminiumv­erarbeiter und Sojabauern. Hilfen für die bankrottre­ife Kohleindus­trie schädigen wettbewerb­sfähige Gasfördere­r. Gelockerte Abgasregel­n bescheren den Autoherste­llern ein Produktion­schaos, weil ein Drittel der Bundesstaa­ten an Obamas Ökostandar­ds festhält. Überhaupt schafft die irrlichter­nde Politik ein Klima der Unsicherhe­it, das Gift für Investitio­nen ist. Dass die US-Firmen bisher guten Mutes bleiben, liegt an der immer noch starken Konjunktur und der massiven Steuersenk­ung, mit der sie Trump beglückt hat. Was aber, wenn der erste Effekt verpufft und – wie erwartet – Amerika nach einem ungewöhnli­ch langen Aufschwung in die Rezession rutscht?

Am Automaten tauchen bei jeder Runde immer mehr Maulwürfe auf, so lang, bis der Spieler aufgeben muss. Vor allem, wenn er allein spielt. Mal sehen, was dann in Amerika passiert. Europa aber müsste aus den Trümmern einer Weltordnun­g selbst Neues bauen. Viel Glück. Wir werden es brauchen.

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VON KARL GAULHOFER

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