Ein total verfahrener Migrationskarren
Zuwanderung. Welt retten und Demografielücke schließen sind zwei Paar Schuhe. Bringt man die durcheinander, besteht Stolpergefahr. Die Diskussion um Migration benötigt deshalb endlich einen pragmatisch-wirtschaftlichen Ansatz.
Zwei Blitzlichter aus der ebenso verfahrenen wie intensiven Diskussion um Flucht/Migration: Der Bürgermeister von Palermo hat, sehr zum Missfallen seines Innenministers, erklärt, Italien sei angesichts seiner demografischen Situation dringend auf Migration angewiesen. Migranten würden die künftigen Renten der Italiener bezahlen. Die Hafensperre für Flüchtlingsschiffe sei also kontraproduktiv.
Und in Salzburg hat der dortige Erzbischof, wohl ebenfalls zum Missfallen des hiesigen Innenministers, einen von der Abschiebung bedrohten abgelehnten pakistanischen Asylwerber unter das (rechtlich freilich völlig irrelevante) Kirchenasyl gestellt. Der junge Mann mache eine Lehre und sei bestens integriert, eine Abschiebung wäre kontraproduktiv.
Bei der Bewertung der beiden Vorgänge zeigt sich schon das ganze Dilemma der politisch total verfahrenen Diskussion. Ein Dilemma, das aus der anhaltenden Verquickung von Asyl und Wirtschaftsmigration entstanden ist.
Am Beispiel Italien: Der Bürgermeister hat recht: Ohne Zuwanderung aus Drittstaaten sind die demografisch unter Druck stehenden europäischen Sozialsysteme nicht aufrechtzuerhalten. Schon gar nicht die besonders hochgezüchteten in Österreich, Deutschland und Schweden, wo es nicht ohne Grund die meisten Migranten hinzieht.
Und er liegt gleichzeitig dramatisch daneben: Mit der praktizierten Form der unkontrollierten Zuwanderung über die Asylschiene, wo im Grunde nicht Zielländer, sondern mafiöse Schlepper und NGOs darüber entscheiden, wer nach Europa darf und wer nicht, wird das berechenbare Sterben der europäischen Sozialsysteme nicht gestoppt, sondern beschleunigt. Deutschland gibt schon jetzt 20 Mrd. Euro jährlich für sein Migrationsdesaster aus, Österreich mehr als zwei. Andererseits: Wenn Leute schon da und erkennbar ausbildungswillig (und -fähig) sind, sieht es reichlich verrückt aus, diese abzuschieben, während nicht Integrationswillige, die in der Asyllotterie gewinnen, mit Dauermindestsicherung und Gemeindewohnung belohnt werden.
Rechtlich ist alles klar: Abgelehnter Asylantrag heißt Heimflug. Und selbst bei Asylgewährung ist Integration nicht unbedingt ein Thema: Dabei handelt es sich ja um Schutz auf Zeit. Und Kirchenasyl, das in der Antike zum Schutz vor Herrscherwillkür entstanden ist, hat in einem modernen Rechtsstaat schon gar nichts verloren. Bischöfe, die über dem Gesetz stehen, will hier niemand mehr.
Wie wäre es, die Sache einmal nicht ideologisch/ sozialromantisch (also realeuropäisch), sondern pragmatisch/wirtschaftlich anzugehen?
Da würde man zu folgendem Rahmen kommen: Unkontrollierte Wirtschaftsmigration über die Asylschiene ist für die europäischen Sozialsysteme eine schlichte Katastrophe und muss möglichst rasch gestoppt werden. Wenn das, wie es derzeit Praxis ist, nicht mehr geht, sobald die Migranten europäischen Boden betreten haben, dann muss das eben an den Außengrenzen geschehen. Auch wenn das die gefürchteten unschönen Bilder ergibt.
Asyl (streng definiert und auch durchgesetzt) kann davon natürlich nicht betroffen sein. Das hat aber sauber von Migration getrennt zu werden, womit auch die Frage der Integration nicht mehr relevant ist. Sehr wohl aber für jene, die schon da sind und in laufenden Verfahren stecken. Denn wieso sollte man bei Bedarf Leute, die vielversprechende Ansätze zeigen, nicht behalten?
Das eigentliche Kriterium ist aber: Wenn man Arbeitsmigration aus Drittstaaten braucht (und das ist unterdessen wohl unbestritten), dann muss man dafür legale Möglichkeiten schaffen. Die gibt es derzeit nur sehr eingeschränkt. Sowohl die Rot-Weiß-Rot-Karte wie auch die Blue Card der EU sind auf eine ganz bestimmte Form der Zuwanderung von höchstqualifzierten Spezialisten zugeschnitten.
Wer beispielsweise über die Rot-Weiß-Rot-Karte ins Land will, muss einen Job mit zumindest 2300 Euro Monatsgage vorweisen. Das schaffen zu Beginn viele UniAbsolventen nicht, was dazu führt, dass Drittstaatsangehörige, die in Österreich studieren und bleibewillig sind, das Land nach dem Studium verlassen müssen.
Wir haben aber nicht nur Beschäftigungslücken bei Top-Spezialisten. Auch in Pflegeberufen, in Facharbeitersparten und im Tourismus tun sich immer größer Lücken auf. Da liegt die Einkommensgrenze niedriger, aber die Sache wird sehr bürokratisch und prohibitiv gehandhabt. Dann doch lieber die Asylschiene . . .
Es zeigt sich jedenfalls: Welt retten und Demografielücke schließen sind in einem entwickelten Industriestaat zwei Paar Schuhe. Bringt man die durcheinander, besteht Stolpergefahr. Das alles ist natürlich nicht neu – und es geht im Grunde um Binsenweisheiten, die eigentlich auch jedem Politiker ohne Ideologiebrett vor dem Kopf klar sein müssten. Aber warum handelt dann niemand?