Achtung, dieser Theatermacher mag keinen Frauenfußball!
Frank Castorf äußerte sich abschätzig über Regisseurinnen. In der „Welt“ist nun eine feministische Antwort darauf erschienen. Im Burgtheater führte im Juni 2018 an einem Drittel der Abende eine Frau Regie.
Wir haben eine Frauen-Fußballweltmeisterschaft und eine Männer-Fußballweltmeisterschaft, und in der Qualität des Spiels unterscheidet sich das schon sehr.“So antwortete Regisseur Frank Castorf in der „Süddeutschen Zeitung“auf die Anmerkung der Interviewerin, dass an der Volksbühne unter Castorfs Leitung kaum Frauen Regie geführt hätten. Auf eine verblüffte Zwischenfrage – „Das können Sie jetzt aber nicht laut sagen?“– wurde er noch bestimmter: „Das kann ich sehr laut sagen. Weil es so ist.“Frauenfußball interessiere ihn eben nicht. Beim Theater ist er konzilianter: „Wenn eine Frau besser ist, habe ich nichts dagegen. Nur habe ich so viele nicht erlebt.“Als Ausnahme nannte er Pina Pausch, von der er „ein großer Verehrer“sei.
Auf dieses am 29. Juni erschienene Interview reagierte nun Felizitas Stilleke, Dramaturgin und Kuratorin u. a. beim Berliner Theatertreffen, mit einem offenen Brief, den die „Welt“am 5. Juli in ungewöhnlich großer Schrift abdruckte. Sie wolle „ebenfalls sehr laut sagen“, heißt es darin (zitiert in Originalschreibweise), „dass ich die white male privileged-,Gedankenund Assoziationsstrudel‘ satt habe“. Aus den Differenzen zwischen Männer- und Frauenfußball lasse sich „keine Gesprächsgrundlage wofür auch immer ableiten“: „Allein der Versuch mutet an wie ein schlechter Pass ins Abseits durch Fallrückzieher.“Weiters hält Stilleke u. a. fest: „Dass Feminismus nicht bedeutet, zu wissen, wann man jemanden schlagen oder mit ihm schlafen muss. Aber wer mansplaint Herrn Castorf nun den Unterschied zwischen Sexismus und Sexualität?“Der Brief endet affirmativ: „Wir sagen sehr laut: Wir sind angstfrei und wir können singen. Und kicken sowieso. You will hear it! You will see it!“
Bis zu Redaktionsschluss habe Stilleke 631 Unterschriften für diesen (stellenweise recht verwirrenden) Brief gesammelt, schreibt die „Welt“unter dem Titel „,Es reicht, Herr Castorf!‘“– und interpretiert: „Wir leben in einer Zeit des Kulturkampfes, in der eine bestimmte Form der feministischen Artikulation immer stärker zu ihren Mitteln findet – insofern kann man den poetischen Wutausbruch vielleicht auch als eine Art popkulturell-politischer Intervention lesen.“
Was soll man diesen Wutausbrüchen hinzufügen? Vielleicht Beschwichtigendes aus Österreich: Von Frauen geführt werden derzeit zwei große Wiener Theater – Burg- und Volkstheater –, Oper und Schauspielhaus in Graz, die Bregenzer Festspiele und das Schauspiel der Salzburger Festspiele (wo heuer auch Castorf inszeniert). Im Burgtheater im Juni 2018 wurde ein Drittel der Vorstellungen von Regisseurinnen (darunter Andrea Breth) verantwortet, im Volkstheater im September werden es 40 Prozent sein. Nur zum Beispiel. Sieht nicht so aus, als ob Castorfs altväterliche Ansicht allgemein anerkannt wäre.
Das Theater ist auch sicher nicht die Kunstform, in der der Frauenanteil besonders niedrig wäre. Im Jazz und Rock etwa ist die Männerdominanz deutlich größer: Beim NovaRock-Festival betrug der Frauenanteil unter den Musikern heuer nur 3,8 Prozent. Wer mansplaint uns das?