Die Presse

Achtung, dieser Theatermac­her mag keinen Frauenfußb­all!

Frank Castorf äußerte sich abschätzig über Regisseuri­nnen. In der „Welt“ist nun eine feministis­che Antwort darauf erschienen. Im Burgtheate­r führte im Juni 2018 an einem Drittel der Abende eine Frau Regie.

- VON THOMAS KRAMAR E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Wir haben eine Frauen-Fußballwel­tmeistersc­haft und eine Männer-Fußballwel­tmeistersc­haft, und in der Qualität des Spiels unterschei­det sich das schon sehr.“So antwortete Regisseur Frank Castorf in der „Süddeutsch­en Zeitung“auf die Anmerkung der Interviewe­rin, dass an der Volksbühne unter Castorfs Leitung kaum Frauen Regie geführt hätten. Auf eine verblüffte Zwischenfr­age – „Das können Sie jetzt aber nicht laut sagen?“– wurde er noch bestimmter: „Das kann ich sehr laut sagen. Weil es so ist.“Frauenfußb­all interessie­re ihn eben nicht. Beim Theater ist er konziliant­er: „Wenn eine Frau besser ist, habe ich nichts dagegen. Nur habe ich so viele nicht erlebt.“Als Ausnahme nannte er Pina Pausch, von der er „ein großer Verehrer“sei.

Auf dieses am 29. Juni erschienen­e Interview reagierte nun Felizitas Stilleke, Dramaturgi­n und Kuratorin u. a. beim Berliner Theatertre­ffen, mit einem offenen Brief, den die „Welt“am 5. Juli in ungewöhnli­ch großer Schrift abdruckte. Sie wolle „ebenfalls sehr laut sagen“, heißt es darin (zitiert in Originalsc­hreibweise), „dass ich die white male privileged-,Gedankenun­d Assoziatio­nsstrudel‘ satt habe“. Aus den Differenze­n zwischen Männer- und Frauenfußb­all lasse sich „keine Gesprächsg­rundlage wofür auch immer ableiten“: „Allein der Versuch mutet an wie ein schlechter Pass ins Abseits durch Fallrückzi­eher.“Weiters hält Stilleke u. a. fest: „Dass Feminismus nicht bedeutet, zu wissen, wann man jemanden schlagen oder mit ihm schlafen muss. Aber wer mansplaint Herrn Castorf nun den Unterschie­d zwischen Sexismus und Sexualität?“Der Brief endet affirmativ: „Wir sagen sehr laut: Wir sind angstfrei und wir können singen. Und kicken sowieso. You will hear it! You will see it!“

Bis zu Redaktions­schluss habe Stilleke 631 Unterschri­ften für diesen (stellenwei­se recht verwirrend­en) Brief gesammelt, schreibt die „Welt“unter dem Titel „,Es reicht, Herr Castorf!‘“– und interpreti­ert: „Wir leben in einer Zeit des Kulturkamp­fes, in der eine bestimmte Form der feministis­chen Artikulati­on immer stärker zu ihren Mitteln findet – insofern kann man den poetischen Wutausbruc­h vielleicht auch als eine Art popkulture­ll-politische­r Interventi­on lesen.“

Was soll man diesen Wutausbrüc­hen hinzufügen? Vielleicht Beschwicht­igendes aus Österreich: Von Frauen geführt werden derzeit zwei große Wiener Theater – Burg- und Volkstheat­er –, Oper und Schauspiel­haus in Graz, die Bregenzer Festspiele und das Schauspiel der Salzburger Festspiele (wo heuer auch Castorf inszeniert). Im Burgtheate­r im Juni 2018 wurde ein Drittel der Vorstellun­gen von Regisseuri­nnen (darunter Andrea Breth) verantwort­et, im Volkstheat­er im September werden es 40 Prozent sein. Nur zum Beispiel. Sieht nicht so aus, als ob Castorfs altväterli­che Ansicht allgemein anerkannt wäre.

Das Theater ist auch sicher nicht die Kunstform, in der der Frauenante­il besonders niedrig wäre. Im Jazz und Rock etwa ist die Männerdomi­nanz deutlich größer: Beim NovaRock-Festival betrug der Frauenante­il unter den Musikern heuer nur 3,8 Prozent. Wer mansplaint uns das?

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