Bachmann-Preis: „Ich spüre die Trommeln des Aufruhrs“
Klagenfurt. Am Donnerstag begann das Wettlesen bei den „Tagen der deutschsprachigen Literatur“. Die Jury begegnete der österreichischen Autorin Raphaela Edelbauer mit gemischten Gefühlen, die ersten Favoriten für den Bachmann-Preis heißen Stephan Lohse un
Die Zeiten, in denen sich Autoren die Stirn blutig schnitten, sind vorüber. Ganz artig lasen am Donnerstag fünf Autoren zum Auftakt der „Tage der deutschsprachigen Literatur“um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Raphaela Edelbauer eröffnete als einzige Österreicherin im Bewerb das Wettlesen mit ihrem Text „Das Loch“– eine Geschichte zwischen Historie und Gegenwart über gefährliche Hohlräume unter einer Stadt, die ein Techniker wieder auffüllen soll. Die neue Jurorin Insa Wilke gab den Ton der Jurydiskussion vor: „Mir gefällt die Figur des Auffüllungstechnikers sehr gut, doch im Mittelteil stimmt die Statik nicht.“Michael Wiederstein bemängelte zu viele Adjektive und Verben: „Da ist recht viel Füllmaterial eingespritzt.“
Klaus Kastberger, der Edelbauer eingeladen hatte, hält das zuvor bemängelte Stilgemisch für eine Stärke. Auch wenn er einräumt: „Es ist nicht unbedingt ein Frühstückstext.“Nora Gomringer, die 2015 selbst den Bachmann-Preis gewann, plädierte für Edelbauer: „Ich finde den Text ganz stark.“Und die Jurorin sorgte für Gelächter, als sie bemerkte: „Eigentlich sind ja alle Männer Auffüllungstechniker.“
Als zweite Autorin stellte sich Martina Clavadetscher mit „Schnittmuster“der Jury. Klaus Kastberger wollte prompt einen Privatpreis für den besten ersten Satz vergeben, als Clavadetscher ihre Lesung mit den Worten begann: „Das letzte Schnappen macht den Unterschied.“Er zeigte sich ebenso wie Wilke vom Tonfall des Textes irritiert, Stefan Gmünder befand ihn als „überinstrumentalisiert“.
Der deutsche Autor Stephan Lohse zeichnete sich am Vormittag als erster Favorit ab. Insa Wilke beschrieb die Figuren in der Coming-of-Age-Geschichte „Lumbumbaland“als „hinreißend“. Stefan Gmünder bekannte: „Ich spüre in diesem Text die Trommeln des Aufruhrs.“Dem Juryvorsitzenden Hubert Winkels gefiel vor allem die „Lässigkeit“. Klaus Kastberger fand hingegen Passagen, die sich wie Wikipedia-Einträge lesen würden, langweilig. Und die „hinreißenden Figuren“beschrieben für Michael Wiederstein lediglich Stereotype.
Anna Stern las als vierte Autorin aus ihrem Text „Warten auf Ava“und musste viel Kritik für die Geschichte rund um eine in den schottischen Bergen verunglückte Schwangere einstecken. Kastberger fand klare Worte: „Bei mir sperrt sich alles gegen den Text.“Hildegard E. Keller, die Stern nominierte, lobte hingegen das „virtuose Spiel mit der Zeit“der Autorin.
Der Deutsche Joshua Groß las als letzter Autor und sorgte für Euphorie in der Jury. Wilke, die Groß eingeladen hatte, ist sich sicher, dass man seine Liebesgeschichte „Flexen in Miami“2099 in den Schulbüchern lesen wird: „Er erzählt von einer Zeit des Umbruchs.“Kastberger beschreibt Groß als „kleinen, jazzrockigen Bruder von Clemens Setz“. Da scheiden sich jedoch die Jurygeister: Wiederstein erinnerte der Text stellenweise an ein Schlagerlied, Gomringer bemängelte, sie würde „ständig über den Text stolpern“.
Am Freitag lesen Corinna T. Sievers, Ally Klein, Tanja Maljartschuk, Bov Bjerg und Anselm Neft.