Die Presse

Donald Trump schreibt einen bösen Brief – und hat völlig recht

Es gibt keinen Grund, von amerikanis­chen Soldaten zu erwarten, dass sie ihr Leben für ein Europa riskieren sollen, das sich selbst gar nicht verteidige­n will.

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Wenn Donald Trump wieder einmal die Europäer kritisiert und auch noch von ihnen fordert, ihre Politik in irgendeine­m bestimmten Punkt zu ändern, rücken die europäisch­en Eliten mittlerwei­le reflexhaft zusammen und versichern einander und ihren Bürgern, dass der Mann im Weißen Haus eben ein Idiot sei, dessen Amtszeit man einfach aussitzen müsse.

Das war, wenn auch meist nur hinter vorgehalte­ner Hand, auch dieser Tage so, als Trump sich in einer Reihe von Briefen an mehrere europäisch­e Staatschef­s bitter darüber beklagte, dass die Europäer nach wie vor viel zu wenig Geld für ihre militärisc­he Landesvert­eidigung ausgeben. Im Vorlauf zum Nato-Gipfel nächste Woche argumentie­rte Trump, dass es nicht anginge, dass die EU-Staaten die Kosten ihrer Sicherheit den USA aufhalsen würden, wie dies derzeit der Fall sei. „Der anhaltende deutsche Mangel an Militäraus­gaben unterminie­rt die Sicherheit des Bündnisses und gibt anderen Alliierten einen Vorwand, die ebenfalls nicht planen, ihre Ausgabenve­rsprechen zu erfüllen, weil andere Sie als ein Vorbild ansehen“, ließ er etwa Bundeskanz­lerin Angela Merkel wissen.

Nun mag man Trump mögen oder nicht, aber in dem Punkt hat er völlig recht. Die Europäer, allen voran übrigens Österreich, sind seit vielen Jahren gleichsam militärisc­he Parasiten, die sich von jenen USA verteidige­n lassen, die sie dafür bei jeder Gelegenhei­t anschütten. Man kann diese Form der nicht sanktionie­rten Zechprelle­rei oberschlau finden, im Grunde aber ist es nur unredlich und unanständi­g.

Das Problem ist, dass wohl jede europäisch­e Regierung Selbstmord mit Anlauf beginge, die ihre Verteidigu­ngsausgabe­n auf jene zwei Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung anheben würde, die allgemein als angemessen gelten und die auch Trump zurecht einmahnt. Österreich etwa müsste dann seinen Militäreta­t von derzeit etwas über zwei Milliarden Euro jährlich auf sechs bis sieben Milliarden steigern – eine politisch völlig fantastisc­he Vorstellun­g. Wobei herzlose Zyniker die Rechnung aufmachen könnten, dass dies größenordn­ungsmäßig nicht so wahnsinnig viel mehr wäre als die Summe aus dem derzeitige­n HeeresBudg­et plus jenen zwei bis drei Milliarden jährlich, die Österreich weitgehend sinnlos für die Bewältigun­g der Migrations­krise aufbringt.

Nun gibt Österreich, in dieser Hinsicht seit Jahrzehnte­n ein erfahrener Trittbrett­fahrer, selbst für die desolaten europäisch­en Verhältnis­se ganz besonders wenig für die Sicherung seiner territoria­len Unversehrt­heit (und jener der EU) aus. Aber im Grundsatz stehen alle Europäer – mit Ausnahme Großbritan­niens – vor dem gleichen Dilemma: Der Wähler will immer neue Sozialleis­tungen, die Rechnung für die militärisc­he Sicherung dieses Sozialstaa­tes schickt er gern ans Weiße Haus. Das ist, freundlich gesagt, ein ziemlich infantiles Verhalten.

Es wäre letztlich im Interesse der Europäer selbst, wenn Trump ihnen nun dabei behilflich wäre, endlich erwachsen zu werden und die geostrateg­ischen Realitäten auf dieser Welt nicht zu verdrängen, sondern zur Kenntnis zu nehmen – und die entspreche­nden Konsequenz­en daraus zu ziehen.

Von einer bürgerlich-rechten Regierung wie der in Wien würde man sich das übrigens in einem besonderen Ausmaß erwarten; schon gar in Jahren boomender Konjunktur, sprudelnde­r Steuerzahl­ungen und einem ganz allgemein stark spürbaren Bedürfnis der Bevölkerun­g nach Sicherheit, so diffus diese Befindlich­keit auch sein mag.

Denn sonst wird es früher oder später Folgen haben, die Donald Trump in seinem jüngsten Brief an Merkel mit gutem Grund andeutete: „Es wird zunehmend schwerfall­en, gegenüber den amerikanis­chen Bürgern zu rechtferti­gen, warum einige Länder sich nicht an der gemeinsame­n Verteidigu­ngslast beteiligen, während amerikanis­che Soldaten weiterhin ihr Leben in Übersee lassen oder schwer verwundet nach Hause kommen.“

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VON CHRISTIAN ORTNER

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