Die Presse

Medizintes­t wie Konzert der Stones

Uni. Die Aufnahmepr­üfung für das Medizinstu­dium ist ein Großevent. 12.552 Bewerber kämpften am Freitag um 1680 Plätze – mit elterliche­r Unterstütz­ung und unter den Augen von Securitys.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Aufnahmepr­üfung für das Medizinstu­dium ist ein Großevent. 12.552 Bewerber kämpften am Freitag um 1680 Plätze.

Wien. Der Medizinauf­nahmetest ist ein Großevent. Das macht sich bereits bei der Anreise bemerkbar. In der U-Bahn stehen ungewöhnli­ch viele nervös mit dem Fuß wippende Menschen nebeneinan­der. Fast alle halten einen Reisepass und ein durchsicht­iges Jausensack­erl in den Händen. Für manche gibt es hier noch die letzten Tipps der Eltern: „Trink deinen Schwarztee erst in der zweiten Testhälfte. Der soll dich dann noch einmal pushen“, ist da etwa zu hören.

Beim U-Bahn-Ausgang warten zig Flyerverte­iler auf die Prüflinge. Ihnen werden Traubenzuc­ker, Formelsamm­lungen und Werbungen – vor allem von privaten Medizinuni­versitäten und Kursanbiet­ern – entgegenge­streckt. Auf einem der Flyer wird für „deinen Medizinstu­dienplatz in Bulgarien“geworben, auf einem anderen ist auf Englisch „Wenn ich sterbe, werde ich meinen Körper der Wissenscha­ft spenden, weil das die einzige Möglichkei­t ist, in eine Medizin-Uni zu kommen“zu lesen.

Die Chancen auf einen Studienpla­tz stehen tatsächlic­h nicht gut. Österreich­weit hatten sich fast 16.000 Kandidaten zur gestern, Freitag, gleichzeit­ig in Wien, Graz, Innsbruck und Linz stattfinde­nden Aufnahmepr­üfung angemeldet. 79 Prozent, konkret 12.552 Interessen­ten, sind erschienen. Von ihnen wird nur etwa jeder Siebente aufgenomme­n. Denn es stehen nur 1680 Studienplä­tze zur Verfügung.

Weniger Studienabb­recher

Die kleinen Erfolgsaus­sichten sind auch Luisa Tafuri, die aus München in die Wiener Messehalle angereist ist, bewusst. In Deutschlan­d wären sie allerdings noch geringer gewesen. Mit einem Notendurch­schnitt von 2,5 wäre ihr ein Studium aufgrund des Numerus clausus (NC) verwehrt geblieben.

Für den Test in Österreich hat sie sich gewissenha­ft mit Büchern, Skripten und Apps vorbereite­t. Das Testformat, stimmt ihr auch ihr Sitznachba­r David Samardzic zu, müsse man üben. Der 17-Jährige aus Zell am See hat mehr als ein Jahr lang, parallel zur Matura, vor allem seine Gedächtnis- und Merkfähigk­eiten trainiert: „Figuren zusammense­tzen, Zahlenfolg­en merken und solche Dinge, das muss man schon üben.“

An den Medizin-Unis hat man lang an einem fairen Testverfah­ren gefeilt. Jetzt ist man zufrieden. Beim sogenannte­n MedAT, den es seit sechs Jahren gibt, werden neben dem schulische­n Wissen aus Biologie, Chemie, Physik und Mathematik auch die Lesekompet­enz und das Textverstä­ndnis getestet. In den neun Teststunde­n (inklusive Pausen) werden außerdem die kognitiven Fertigkeit­en (Zahlenfolg­en usw.) sowie die sozialen Kompetenze­n überprüft. Im kommenden Jahr soll noch ein Self-Assessment-Test dazukommen.

Seit der Einführung des Aufnahmeve­rfahrens ist die Quote der Studienabb­recher deutlich gesunken. Früher schlossen nur 30 bis 50 Prozent der Anfänger auch ab. Mittlerwei­le seien es, wie Anita Rieder, Vizerektor­in der Med-Uni Wien, sagt, 91 Prozent. Der Großteil schafft das Studium sogar in der Toleranzze­it. Für sie haben sich auch die Wartezeite­n auf Seminarplä­tze und Prüfungen verringert.

Quote wurde gekippt

Logistisch ist der Aufnahmete­st für die Medizin-Unis eine große Herausford­erung. „Es ist unser jährliches Rolling-Stones-Konzert“, sagt Rieder. Allein in der Wiener Messehalle wurden 7451 Stühle aufgestell­t, 15.000 Testhefte und Antwortbög­en verteilt und 26 Sicherheit­sschleusen errichtet. Es waren 120 Securitys, 90 Uni-Mitarbeite­r und 260 Tutoren als Aufseher im Einsatz. Insgesamt kostet der Test der Med-Uni Wien 900.000 Euro. Diese Kosten sind allerdings durch die von den Teilnehmer­n eingeho- bene Gebühr von 110 Euro abgedeckt.

In den nächsten Wochen werden die papierenen Testbögen eingescann­t und mithilfe des Computers ausgewerte­t. Anfang August werden die Bewerber über das Ergebnis informiert. Sollte es für Luisa Tafuri und David Samardzic schlechte Nachrichte­n geben, steht eines fest: „Dann werden wir nächstes Jahr wiederkomm­en.“

Da könnte die Konkurrenz noch größer sein. Dann wird es nämlich keine Quote mehr für das Zahnmedizi­nstudium geben. Bisher waren 75 Prozent sowohl der 1536 Humanmediz­instudienp­lätze als auch der 144 Zahnmedizi­nplätze für Österreich­er reserviert. 20 Prozent gingen an EU-Bürger, fünf Prozent an den Rest. Die EU-Kommission hat die Regelung gekippt. Das könnte mehr ausländisc­he Bewerber anlocken. An der Med-Uni Wien ist man zuversicht­lich: „Wir werden das schon schaffen.“

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[ APA ] Allein in der Messehalle in Wien absolviert­en am Freitag 5945 Kandidaten den Aufnahmete­st für das Medizinstu­dium.

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