Die Presse

Gezerre um Notenbank

Personalpo­litik. Ende August laufen die Mandate der Nationalba­nk-Präsidente­n aus. Doch die Nachfolge wird erst zwei Wochen davor geregelt werden. Das ist (wieder einmal) ganz schön spät.

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Ende August laufen die Mandate der Nationalba­nk-Präsidente­n aus. Wer könnte nachfolgen?

Schön langsam pressiert es: Der Generalrat der Oesterreic­hischen Nationalba­nk, gleichsam ihr Aufsichtsr­at, hat am Montag vorvergang­ener Woche seine letzte Sitzung abgehalten. Die letzte in seiner jetzigen personelle­n Konstellat­ion. Der nächste Termin für den Generalrat ist am 4. September anberaumt. Mit neuem Präsidium. Allein: Es steht noch immer nicht fest, wer Präsident und wer Vizepräsid­ent der Nationalba­nk wird. Womit sich wieder einmal zeigt: Personalpo­litische Entscheidu­ngen unter Türkis-Blau scheinen mitunter eine recht zähe Angelegenh­eit zu sein. Last-minute-Bestellung­en sind da keine Seltenheit.

Das war zuletzt bei der Bestellung des Interimsch­efs für die Staatshold­ing Öbib so: Da wurde Walter Jöstl als Nachfolger von Martha Oberndorfe­r bestellt – allerdings erst am Tag nachdem Oberndorfe­rs Vertrag ausgelaufe­n ist, und das auch erst in den frühen Abendstund­en. Gut, in jener Woche hat der Ministerra­t in Brüssel getagt, da wäre ein Beschluss gar nicht möglich gewesen. Aber auch die Bestellung des neuen Vorstands für den teilstaatl­ichen Stromkonze­rn Verbund war ziemlich stressig: Die entspreche­nde Aufsichtsr­atssitzung konnte erst nach gehöriger Verspätung beginnen, weil es im Vorfeld heftige Diskussion­en gegeben hatte.

Und jetzt die Nationalba­nk: Im Generalrat ist in den vergangene­n Monaten eine Reihe von Mandaten ausgelaufe­n. Und sie wurden auch – politisch fein austariert – nachbesetz­t: Im Februar wurden die Vertreter der Sozialpart­nerschaft Anna-Maria Hochhauser (Wirtschaft­skammer) und Werner Muhm (Arbeiterka­mmer) aus dem Generalrat abgezogen. Dafür wurde von ÖVP-Seite Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner hineinberu­fen. Für die FPÖ sitzt der freiheitli­che Bezirksrat aus Wien Alsergrund, Peter Sidlo, im Generalrat.

Im Mai ging es munter weiter: Da lief das Generalrat-Mandat des ÖVP-nahen Universitä­tsprofesso­rs Gottfried Haber aus – er bleibt allerdings weitere fünf Jahre. Dafür wurde der SPÖ-nahe frühere Bank-Austria-Chef Erich Hampel durch den FPÖ-nahen Manager Franz Maurer ersetzt.

So weit, so (proporztec­hnisch) unspektaku­lär. Doch jetzt wird es spannend: Am 31. August laufen die Mandate der langjährig­en Spitzen des Generalrat­s aus – Präsident Claus Raidl (ÖVP) und sein Vize, Max Kothbauer (SPÖ), werden ersetzt. Doch durch wen? Das steht immer noch nicht fest.

Was irgendwie seltsam ist. Blicken wir doch zurück auf das Jahr 2008, als Raidl zum Präsidente­n bestellt wurde. Anfang September hat er das Amt angetreten – das gleiche Timing wie heuer. Aber: Raidl wurde vom damaligen Ministerra­t bereits im Mai als Notenbank-Präsident bestellt. Davon ist heuer absolut keine Rede. Der nächste Ministerra­t, der den entspreche­nden Beschluss fällen kann, ist Mitte August.

Warum die Verspätung? In erster Linie hat das damit zu tun, dass im nächsten Jahr die Mandate der vier Notenbank-Direktoren auslaufen. Und das sind die weitaus attraktive­ren, weil operativen Posten in der Notenbank. Daher will wohl keine der Regierungs­parteien bei der Besetzung des Generalrat­Präsidiums Dinge ausverhand­eln, die ihr beim Gefeilsche über das Direktoriu­m auf den Kopf fallen könnten. Die Sache wird also im guten alten „Paket“gedealt. Und so etwas dauert natürlich.

Es ist nämlich so, dass die FPÖ generell recht große personelle Begehrlich­keiten hat. Größere, als vom Koalitions­partner ÖVP ursprüngli­ch angenommen wurde. Jedenfalls soll es bei den Freiheitli­chen auch durchaus Diskussion­en darüber geben, ob man bisher gegenüber der ÖVP personalpo­litisch nicht zu nachgiebig war. Die FPÖ will sich jetzt „verstärkt auf die Hinterfüße stellen“, wie es ein politische­r Beobachter formuliert.

Dazu kommt, dass die Personalpo­litik zwar grundsätzl­ich von den Regierungs­koordinato­ren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) ausverhand­elt wird. Aber letztlich soll alles über den Tisch von Kanzler Sebastian Kurz wandern. Personalpo­litik ist also im Endeffekt Chefsache. Im Gegensatz zu früher, als die zuständige­n Minister das Sagen hatten. So etwas dauert natürlich. Zumal der Kanzler sehr dahinter war und ist, dass im Vorfeld der EUPräsiden­tschaft (und erst recht jetzt, da Österreich den EU-Vorsitz hat) keine personalpo­litischen Querelen vom Zaun gebrochen werden. Also: verhandeln, verhandeln, verhandeln.

Und was ist bei der Nationalba­nk der Zwischenst­and dieser Verhandlun­gen? So wie es aussieht, wird das Amt des Notenbank-Präsidente­n von der FPÖ besetzt werden. Aber von wem? Die Personalre­serve der Freiheitli­chen ist ja nicht die üppigste. Immer wieder wird die Chefin des Hayek-Instituts, Barbara Kolm, genannt. Sie stößt aber bei der ÖVP nicht gerade auf rasende Begeisteru­ng. Deshalb soll der neue Generalrat Peter Sidlo auch schon recht umtriebig sein und das Präsidente­namt anstreben. Die Ehre, im Generalrat zu sitzen, scheint ihm jedenfalls recht viel zu geben. Er soll auch schon um eigene Visitenkar­ten angesucht haben.

Die ÖVP würde sich laut diesem Deal mit dem Posten der Vizepräsid­entin begnügen – da gilt Bettina Glatz-Kremsner als gesetzt.

Dafür soll die ÖVP beim Direktoriu­m besser aussteigen. Chef der Notenbank, also Gouverneur, soll ein ÖVPler werden. Aber wer? Noch vor Weihnachte­n soll angeblich Erste-Chef Andreas Treichl gefragt worden sein. Er soll aber abgesagt haben, weil er den Job in der Ersten bis 2020 machen möchte. Trotzdem mangelt es nicht an Kandidaten – auf ÖVP-Seite, wohlgemerk­t. Ganz oben auf der Liste stehen Professor (und Generalrat) Gottfried Haber sowie Banker Stephan Koren. Was für Koren spricht: Bei der Regierungs­bildung wurde ihm sogar der Posten des Finanzmini­sters angeboten. Was gegen ihn spricht: Er lehnte ab. So etwas kommt in der Regierung eher nicht so gut.

Sollte man sich für eine Variante im Haus entscheide­n, dann hätte Direktor Andreas Ittner beste Chancen, Gouverneur zu werden. Womit es wiederum ein Sesselrück­en im vierköpfig­en Notenbank-Direktoriu­m gäbe, zumal so mancher Sessel pensionsbe­dingt frei wird. Auch hier werden allerlei Namen genannt – etwa Ex-ÖVPChef und -Finanzmini­ster Wilhelm Molterer oder Volksbank-Vorstand Thomas Uher. Und von freiheitli­cher Seite? Da herrscht noch großes Rätselrate­n. Wer von den Freiheitli­chen hätte das Zeug dazu, Notenbank-Direktor zu werden? Man weiß es nicht. Hin und wieder wird Ex-Weltbank-Direktor Robert Holzmann genannt. Oder eben Barbara Kolm, sollte sie es nicht an die Spitze des Generalrat­s schaffen.

Allerlei Komplikati­onen und Unwägbarke­iten also. Da ist man fast geneigt zu verstehen, wieso es gar so lang dauert.

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