Vergesst doch auf die Jugend nicht! Seltsame Stille bei Zukunftsthemen
Selten wurde so wenig über Bildung und Chancen geredet. Die nächste Generation braucht einen Stimmungsumschwung zu Freude und Optimismus – jetzt!
Robert Menasse, der Schriftsteller, irrt. In einem Punkt sicher. Im Deutschlandfunk meinte er kürzlich: Das Problem von Sebastian Kurz sei, „dass er zu jung ist, um die rauchenden Trümmer infolge der Kriege und Konkurrenz der Nationalstaaten zu kennen.“Sicher nicht. Denn das Alter hat den deutschen Innenminister Horst Seehofer, diese Woche 69 Jahre, und Bundeskanzlerin Angela Merkel, am 17. Juli 64, auch nicht davon abgehalten, Europa ein beispielloses Machtschauspiel zuzumuten. Und beide kennen wohl die Konsequenzen von Krieg und Trümmern nur zu gut.
Das Problem ist vielmehr, dass die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ die Generation des Sebastian Kurz nicht im Fokus hat. Ob das nun der mangelnden Erfahrung mit der Erasmus-Freiheit der EU zu tun hat, wie Menasse zusätzlich meint, oder nicht, spielt keine Rolle. Tatsache ist, dass generell im europäischen und im innenpolitischen Dialog die Begriffe „Bildung“, „Jugend“und „Zukunft“kaum vorkommen.
Dieses Wochenende geht wieder einmal in ganz Österreich ein Schul- und Studienjahr zu Ende. Eine jährlich passende Gelegenheit, sich zu fragen, was konkret von der aktuellen Bundesregierung für die Zukunftssicherung der jungen Generationen getan wird. So wenig Diskussion über etwaige Pläne zur Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungschancen, über Konkretes zur Stärkung der Wissenschaften und Innovation gab es schon lange nicht. Auch wenn nicht genügend umgesetzt worden ist, so waren Schulen, Universitäten, Fachhochschulen doch immer wieder Thema. Seit Monaten herrscht (be-)drückende Stille.
Es scheint als versteckte sich nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition hinter dem Asylthema, obwohl dies die Zahlen seit Monaten gar nicht rechtfertigen. Für die Regierung macht das politischen Sinn, für die Opposition nicht. Nun gut, seit einigen Wochen kommt die 12-Stunden-Arbeitstag-Aufregung hinzu, aber auch die ist weit von der Lebensrealität der jungen Selbstständigen oder prekär Arbeitenden entfernt. 12 Stunden pro Tag? Das kostet sie ein mildes Lächeln. Ihr Einsatz, um irgendwie im Beruf Fuß zu fassen, ist weit höher.
Nun könnte man einwenden, einige Maßnahmen der letzten Monate kämen doch Jugendlichen zu Gute – über die Bande gewissermaßen: Einheitliches Jugendschutzgesetz! Welch Erleichterung sind doch die bundesweit geltenden Ausgehzeiten – vor allem welch Nutzen für Bildung, Ausbildung, Leistung! Kann man argumentieren. Rauchverbot unter 18 Jahren und im Auto? Sicher im gewissen Sinn eine zukunftsfitte Maßnahme, nur was hat sie mit unbefriedigenden Studienbedingungen etc. zu tun? Bitte nicht die kostenlose Zahnhygiene in diesem Zusammenhang erwähnen, obwohl . . . Auch die von Minister Norbert Hofer erst jetzt wieder angekündigte Anhebung des Tempolimits auf 140 oder die Aufhebung des Fahrverbots am Pannenstreifen könnte man als ProJugend-Maßnahme verkaufen, nicht wahr? Purer Zynismus: Vermehrte Unfälle verringern die Pensionslast.
Doch ernsthaft: Die „New York Times“fragte sich und Sebastian Kurz am Donnerstag, ob es jetzt eigentlich um ein „harscheres, ein weniger optimistisches, weniger selbstbewusstes Europa“gehe. Kurz habe eine direkte Antwort verweigert, schreibt das Blatt. Hätte er nicht müssen. Darum kann es ihm nicht gehen.
Denn irgendwann werden seine Zeitgenossen von ihm erwarten, dass er die Rahmenbedingungen für eine besseres Lebensgefühl schafft – für Optimismus und Selbstbewusstsein. Die Politik der Angst vor dem Fremden zieht vielleicht bei den Älteren auf Dauer, aber nicht in dieser Altersgruppe. Die letzten konkreten Verbesserungen – Ausbildungspflicht und -garantie wurden 2016 beschlossen.
Das Problem ist nicht, dass Kurz keinen Blick zurück hat, wie Menasse meint, sondern dass niemand in der Regierung bis jetzt den Blick nach vorne richtet.