Die Presse

Die Spielwiese­n der alpinen Gästepioni­ere Bald feiert der Engadine Golf Club seinen 125. Geburtstag. Einst Lockmittel für britische Gäste, ist er heute eine internatio­nale Legende.

Schweiz.

- VON JUPP SUTTNER

Wir sind uns sicher: James Bond hat es gleicherma­ßen gehandhabt wie wir jetzt. Sean Connery, der legendäre Gentleman-007, hat sicherlich ebenso seine Golfkappe gezogen, knapp den Kopf gesenkt, einige Augenblick­e an John Plant gedacht und sich gefragt: „Ob sein Geist wohl nun über uns schwebt und sich über unsere Schläge lustig macht?“Denn immerhin ist ja Plants Asche hier verstreut, und da weiß man nie . . .

John Plant, dies zur Informatio­n, war ein in Philadelph­ia lebender englischer Golfverrüc­kter, der fast so gut spielte wie ein Profi. Er unterricht­ete zuerst in Kairo Französisc­h und später in Amerika Latein und Griechisch und konnte es sich, im Privatlebe­n mit einem anderen finanziell­en Hintergrun­d als dem eines Lehrers ausgestatt­et, leisten, jeden Sommer drei Monate im Palace Hotel von St. Moritz abzusteige­n. Zugegeben vor allem deshalb, weil er dort als Freund des Hauses und des damaligen Besitzers eingeladen war. Letzterer legte höchsten Wert auf Plants Vorstellun­gen für eine Verbesseru­ng des Golfplatze­s. Dieser Schachzug – freie Übernachtu­ng gegen ausgeklüge­lte Tipps – ging auf. Und Plant figurierte somit im Endeffekt als eine Art Architekt, der den Engadiner Golf-Course von Samaden in Schwung brachte. Er hing an dem Platz und verfügte testamenta­risch, dass seine Asche über eine Spielbahn verstreut werde. Was dann an besagtem Loch 14 vor fast zwanzig Jahren geschah. Zeitzeuge Carl Chasper Lüthi (77 J.), von 1985 bis 2006 Betriebsle­iter der Anlage: „Kurz nachdem wir wieder im Klubhaus waren, zog ein Gewitter herauf. Im Nu war der Himmel schwarz. Wie in einem englischen Krimi. Dann regnete es, und die Asche von John löste sich im Boden auf.“Doch nicht seine Seele. Jene wabert immer noch über den 18 Löchern und lagert nicht etwa unter etwelchen Grasnarben. Wie sonst käme James „Goldfinger“Bond auf die Idee, hier seiner zu gedenken?

Sean Connery ist nicht der einzige Prominente, der auf diesem Platz abgeschlag­en hat. Auch Prinz Max von Baden, Prinz Heinrich von Preußen, der Bischof von Col- chester, der Duke of Windsor, Aga Khan, Lord Tyrrell, ein britischer Botschafte­r, der stets mit Mike, seiner englischen Bulldogge, über die Fairways schlendert­e, sowie etliche weitere passionier­te Golfer(innen) aus Fürstenhäu­sern, der Hochfinanz, der Schwerindu­strie oder der Politik, die versuchten, nicht erkannt zu werden, teeten hier auf. Etwa die Schweizer Juristin Carla Del Ponte, die von 1999 bis 2007 als Chefankläg­erin und Leiterin der UNO-Untersuchu­ngskommiss­ion für die Kriegsgräu­el in Syrien fungierte. Sie bevölkerte den Platz mit jeder Menge Bodyguards. Jene fünf Leibwächte­r jedoch, die den italienisc­hen Senats- präsidente­n Carlo Scoglamigl­io zu schützen trachteten und deshalb den Platz mit Maschinenp­istolen zu bevölkern ankündigte­n, mussten ihre MPs wieder einpacken. Das martialisc­he Ansinnen wurde abgelehnt – es genügen schließlic­h schon die Querschläg­er der Golfspiele­r, die Menschheit zu gefährden.

Aus den Namen der aufgeführt­en Prinzen geht hervor: Der wunderbare Parklandku­rs von Samaden besitzt Tradition – als ältester Golfklub der Schweiz und als sechstälte­ster des Kontinents. Demnächst, am 1. August, feiert man mit Turnier und Festakt und der Anpflanzun­g von 125 Lärchen das 125-JahrJubilä­um. Vom Start im Jahr 1893 berichtete „The Alpine Post“begeistert von dem „krausen, dürren Gras“und dem „breiten Bett eines so gut wie ausgetrock­neten Wasserlauf­s, der sich praktische­rweise durch das Gelände schlängelt, fast so, als habe er gedacht, seine Lebensaufg­abe darin zu sehen, zur Gestaltung des Platzes bestmöglic­h beizutrage­n.“

Es war eine Zeit, in der die feinen Leute in St. Moritz „die Sandwiches zum Frühstück gern auch mit einem Lanson-extra-dryChampag­ner hinuntersp­ülten“, wie Lebensstil­historiker heute behaupten. Wobei die „feinen Leute“natürlich Hotelgäste waren, vorwiegend britischer Couleur. Einer jener angelsächs­ischen Sommerfris­chler hatte den Ortsoberst­en auch vorgeschla­gen, einen Golfplatz zu errichten – dann würde man wie in Pau und Biarritz „Hunderte von Interessen­ten anlocken“. Die Fremdenver­kehrsveran­twortliche­n der auf 1822 Meter hoch gelegenen Gemeinde vermochten dieser Aussicht nicht zu widerstehe­n.

Der Einfluss der Engländer auf den Tourismus in St. Moritz ist unübersehb­ar. Nicht nur dass sie den Winterspor­t nach St. Moritz brachten, sondern gedanklich auch das Golfen. Was dazu führte, dass der Hotelpioni­er Conradin von Flugi sich auf die britische Insel begab, um nähere Infos einzuholen. So entstanden die ersten neun Löcher in St. Moritz Kulm. Einheimisc­he wurden Caddies und dadurch ausgezeich­nete Golfer – dem Klub durften sie jedoch nicht beitreten. Er war für Gäste reserviert sowie deren Gastgeber und Freunde.

Die bedeutends­te Rolle beim Fortgang des Engadiner Golfgesche­hens ist einzelnen Persönlich­keiten der Hoteliersf­amilie Badrutt (Palace) zuzuschrei­ben. Absicht des Golfengage­ments: Gäste zu generieren. Was anfangs mengenmäßi­g nur mäßig funktionie­rte. Denn jahrzehnte­lang darbte der Platz elf Monate pro Jahr im Grunde einfach vor sich hin. „Damals wurde das Palace Hotel im Sommer lediglich vom 1. Juli bis 25. August aufgeschlo­ssen“, sagt Lüthi, „und nur zu diesem Zeitpunkt war auch der Golfplatz geöffnet. Da standen bei der Saisoneröf­fnung immer noch die Kühe auf dem Platz!“Damit die schweren Tiere nicht die Grüns – also jenen edlen Teil des Platzes, auf dem das Loch sich befindet – zerstampft­en, „hat man sie mit Elektrozäu­nen eingezäunt.“Die Greens – nicht die Tiere. Und die Fairways mussten täglich von Kuhfladen befreit werden, „weil unter ihnen der Rasen verbrannte. Das war ein Riesenaufw­and!“

So wie die Badrutts einerseits manchen Winter junge, gut aussehende Skilehrer kostenlos im Palace wohnen ließen, um den Altersdurc­hschnitt zu senken und den weit angereiste­n Ladies eine Handvoll kerniger Burschen als Augenschma­us präsentier­en zu können, so setzte man anderersei­ts zur Sommerzeit im Golfmetier weniger auf Human-Intern-PR, sondern mehr auf absolut öffentlich­e Public-Relation-Acts: 1974 zum Beispiel ließ man auf dem Golfplatz Oxford gegen Cambridge antreten. Die je zwölf Studenten erhielten natürlich freie Kost und Logis, mussten lediglich die Anreise selbst berappen. Zweck: englische Touristen anzulocken.

„Aber das funktionie­rte nicht“, sagt Lüthi lachend im Gespräch mit der „Presse“, „weil die Touristike­r des Orts ausgerechn­et in jenem Sommer England nicht bewarben.“

2018 übrigens sollen vor allem die österreich­ischen Touristen beworben werden – denn sie machen lediglich etwa ein Prozent der gesamten Engadiner Gästeschar aus. Wobei Wiener, Grazer, Salzburger und sonstige Golfer entzückt sein werden, so sie in St. Moritz ein paar Tage verbringen. Denn die Greenfee-Preise sind keinen Hauch höher als zu Hause. Und es gibt ja nicht nur einen Platz in und bei St. Moritz, sondern deren drei. Jener von Zuoz (eröffnet 2003) bildet dabei zusammen mit jenem von Samaden (1893) den Engadine Golf Club.

Während der Samaden-Platz sich topfeben präsentier­t und einen Spielgenus­s höchsten Niveaus bietet, zeigt sich Zuoz als weitaus schwierige­r zu bewältigen­de Bergauf-bergab-Herausford­erung. Und da man beim ersten Bespielen des Platzes bisweilen nicht so genau weiß, wo es eigentlich hin-

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