Die Presse

Staatsschu­tz: Wo umgebaut wird

Verfassung­sschutz. Ein Papier zeigt, wie eilig die Neuordnung gehen soll: schneller, als Aufträge dazu erteilt werden.

- VON ANNA THALHAMMER

Bis 1. Jänner 2019 soll ein Gesetz die neuen Strukturen formuliere­n.

Wien. Die Umstruktur­ierung des Staatsschu­tzes schreitet in Windeseile voran. Laut einem internen Dokument, das der „Presse“vorliegt, sollte die Umsetzung sogar noch schneller als der offizielle Auftrag dafür sein.

Der Projektauf­trag zur Evaluierun­g des BVT und Neuausrich­tung des Staatsschu­tzes wurde von Innenminis­terium-Generalsek­retär Peter Goldgruber gegeben. „Die Presse“berichtete bereits darüber, dass das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) zerschlage­n werden soll. Die größten Abteilunge­n, Terrorismu­s- und Extremismu­sbekämpfun­g, sollen ins Bundeskrim­inalamt wandern, der Rest zu einem echten Nachrichte­ndienst umgebaut werden, neue Befugnisse bekommen. Über diese Pläne berichtete­n Insider der „Presse“.

Minister Herbert Kickl (FPÖ) war bei einer Pressekonf­erenz Ende Mai noch deutlich zurückhalt­ender – hat davon gesprochen, dass man zuerst bis Herbst eine Evaluierun­g machen und dann konkrete Schritte machen wolle. Der vorliegend­e Projektauf­trag ist mit 4. Juni datiert – und zeigt, wie eilig man es aber offenbar wirklich hatte.

Die Observatio­n

Laut Dokument sollte die Verfassung­sschutzobs­ervation mit 1. Juli wieder in das BVT eingeglied­ert werden – die rund 60 Mann starke Abteilung wurde vor einiger Zeit der Cobra zugeschlag­en. Die Abteilung übernahm für das BVT Observatio­nen im Bereich Extremismu­s, Terrorismu­s sowie im nachrichte­ndienstlic­hen Bereich. Sollten Extremismu­s- und Terrorismu­sreferat nun aus dem BVT herausgelö­st werden, hätte die große Observatio­nsabteilun­g nur noch eine Aufgabe: im nachrichte­ndienstlic­hen Bereich zu observiere­n. Kritiker orten Gefahren: Der- zeit ist das BVT eine Polizeibeh­örde, darf nur auf konkreten Verdacht und nach Anzeige handeln und observiere­n. Ein Nachrichte­ndienst arbeitet deutlich präventive­r – und auch die Observatio­nen könnten präventive­r angesetzt werden. Länder, in denen die Praxis bei derartigen Konstrukte­n ausgeartet ist, nennt man „Spitzelsta­aten“. Ein präzise ausgearbei­tetes Gesetz im Hintergrun­d ist also unabdingba­r.

Das Lagezentru­m Wien

Das Lagezentru­m der Wiener Polizei sollte laut Auftrag bereits mit 1. Juni 2018 in eine ähnliche Abteilung auf Bundeseben­e eingeglied­ert worden sein. Die Abteilung dient der administra­tiven Entlastung von Fachabteil­ung, kümmert sich etwa um die Auswertung von Zeitungsar­tikeln, schreibt Berichte um aktuelle Vorfälle oder erstellt Statistike­n. Die Einglieder­ung des Wiener Lagezentru­ms in das BVT ist wohl nur ein erster Schritt. In einem weiteren wird das fusioniert­e Lagezentru­m wohl direkt im Innenminis­terium angesiedel­t werden – ein Plan, der seit Jahren immer wieder kursiert und nun wieder konkreter wird.

Die Aufgabente­ilung

Bis Ende August soll klar sein, wie eine Aufgabente­ilung zwischen BVT und Kriminalam­t aussehen soll. Dann startet Phase zwei: die Umsetzung der entwickelt­en Maßnahmen inklusive Probebetri­ebs.

Die neuen Gesetze

Die „Beschreibu­ng aller angestrebt­en gesetzlich­en Änderungen mit Begründung und Gesetzesen­twurf“sollen bis 1. Jänner 2019 stehen – also parallel zu U-Ausschuss und Probebetri­eb der neuen Struktur entwickelt werden. Das ist eine Mammutaufg­abe.

So weit schaut zumindest der offizielle Plan für den neuen Staatsschu­tz aus. Als Projektver­antwortlic­her ist der wieder eingesetzt­e Direktor Peter Gridling genannt. Mehreren Quellen aus BVT und Kabinett zufolge gibt es neben der offizielle­n aber auch eine inoffiziel­le Projektgru­ppe. Diese trifft sich vornehmlic­h dann, wenn Gridling außer Haus ist – und soll aus Personen bestehen, die Goldgruber­s Vertrauen genießen. Dazu gehört Gridling offenbar nicht.

Kontrollen für Mitarbeite­r

Dass das Misstrauen gegen die eigene Beamtensch­aft seitens des Innenminis­teriums groß ist, zeigen auch andere Maßnahmen. So gibt es neuerdings Kontrollen für Mitarbeite­r – deren Schreibtis­che ebenso sporadisch inspiziert werden wie ihre Taschen. Weiters gibt es viele neue Mitarbeite­r im BVT – von denen die alten durch die Bank nicht wissen, was deren Aufgabe ist. Viele von den Neuen kommen aus den Polizeiein­heiten Wega oder Cobra – der stellvertr­etende BVT-Direktor, Dominik Fasching, war lang Leiter Letzterer. Unter den Neulingen findet sich übrigens die Anwärterin für den Titel der Miss Vienna 2008 – auch ihr Aufgabenbe­reich ist unklar.

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[ APA ] Das Vertrauen ist zerrüttet: Innenminis­ter Herbert Kickl suspendier­te Peter Gridling (v. l.). Dieser berief – und bekam recht.

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