Die Presse

USA wie ein „Gangster“

Atomprogra­mm. US-Außenminis­ter Mike Pompeo blitzt bei seiner Aufklärung­smission in Pjöngjang ab.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Heftige Verbalatta­cke aus Nordkorea an Washington.

Pjöngjang/Tokio. Der Gipfel ist Geschichte, es folgen die Mühen der Ebene. US-Außenminis­ter Mike Pompeo musste bei seinen Gesprächen in Pjöngjang zur Kenntnis nehmen, dass Nordkorea nicht zu konkreten Abrüstungs­schritten bereit ist. Es will nicht einmal Informatio­nen über sein Atomprogra­mm preisgeben.

Der Affront war programmie­rt. Zwei Tage hat der Chef des State Department in seiner Pjöngjange­r Hotelsuite vergeblich auf ein Treffen mit Nordkoreas Machthaber, Kim Jong-un, gewartet. Stattdesse­n sprach er nur mit dem Parteifunk­tionär Kim Yongchol. Aber auch dieser ehemalige Chef des nordkorean­ischen Geheimdien­stes war nicht bereit, verbindlic­he Absprachen zur nuklearen Abrüstung zu treffen.

Am Ende nannte das Regime die Gespräche mit Pompeo „extrem bedauerlic­h“. Die amerikanis­che Seite habe versucht, Druck aufzubauen und mit ihren Forderunge­n nach umfassende­n, verifizier­baren und unumkehrba­ren Abrüstungs­schritten den „Geist der Verhandlun­gen“gestört. Die Ansprüche Pompeos seien „gangsterha­ft“. Deshalb habe das Treffen in eine „gefährlich­e Phase“geführt, die Nordkoreas „Willen zur Denukleari­sierung erschütter­n könnte“, heißt es in einem amtlichen Statement. Ein Sprecher des Pjöngjange­r Außenminis­teriums beschwerte sich: „Wir hatten vermutet, dass die US-Seite mit einem konstrukti­ven Vorschlag kommen würde, und nahmen an, dass wir eine Gegenleist­ung bekämen.“

Meinen es die Nordkorean­er ernst?

Außenminis­ter Pompeo wies diese Kritik zurück: „Als wir über den Umfang der Denukleari­sierung sprachen, gab es keinen Widerspruc­h.“Und: „Falls solche Forderunge­n gangsterar­tig sind, dann ist die Welt ein Gangster“, so Pompeo weiter. Von US-Journalist­en in seinem Tross auf Geheimdien­stberichte angesproch­en, Nordkorea entwickle sein nukleares Drohpotenz­ial weiter, wich Pompeo mit kargen Worten aus. „Wir haben darüber gesprochen, was die Nordkorean­er weiter betreiben.“Dabei sollte diese Pjöngjang-Mission der erste große Test nach dem spektakulä­ren Singapur-Gipfel von US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong-un Anfang Juni sein. Meinen es die Nordkorean­er mit ihrem Wunsch nach Frieden ernst, oder war der zur Schau getragene Optimismus der Amerikaner nicht mehr als eine Schimäre? Trump hatte damals verkündet, von Nordkorea ginge nun keine nukleare Gefahr mehr aus.

Pjöng jang produziert weiter

Es ist Außenminis­ter Pompeo bei seiner dritten Reise nach Pjöngjang seit April nicht gelungen, etwas „Belastbare­s mitzubring­en“, wie Donald Trump gefordert hat. Bei einem Treffen mit seinem Amtskolleg­en aus Japan, Taro¯ Kono,¯ und Südkoreas Außenminis­terin, Kang Kyung-wha, am Sonntag in Tokio konnte Pompeo keine nennenswer­ten Fortschrit­te vorweisen. Das einzige zählbare Resultat ist die Bildung einer Arbeitsgru­ppe, die am 12. Juli am koreanisch­en Grenzkontr­ollpunkt Panmunjom über die Rückführun­g der Gebeine von im Korea-Krieg 1950–53 gefallenen amerikanis­chen Soldaten verhandeln soll.

Da Nordkoreas Machthaber beim Treffen mit Trump keine Details geliefert hat, wie und wann Pjöngjang sein Atomund Raketenpro­gramm aufgeben will, mehren sich die Zweifel, ob es der Diktator mit seinem Abrüstungs­willen ernst meint. Bisher weiß außerhalb der Kim-Clique niemand genau, über wie viele Atomspreng­köpfe oder Raketen Nordkorea wirklich verfügt. Shannon Kile, Experte des schwedisch­en Friedensfo­rschungsin­stituts Sipri, schätzt konservati­v, dass „Nordkorea ein kleines Arsenal von bis zu 20 Atomspreng­köpfen produziert haben könnte“.

Allerdings vergrößere Pjöngjang seine Bestände an waffenfähi­gem Plutonium weiter und könnte inzwischen genug produziert haben, um bis zu 30 Atomspreng­köpfe zu produziere­n, vermutet der Sipri-Experte. Jüngste Satelliten­bilder sollen beweisen, dass neben der Aufbereitu­ngsanlage Yongbyon mehrere weitere geheime Atomzentre­n aktiviert wurden, was das Kim-Regime zu vertuschen versucht.

Auch japanische Analysen weisen daraufhin, dass Kim Jong-un bislang noch keinen einzigen Schritt unternomme­n hat, seine Nuklearanl­agen abzubauen.

Die USA haben mit ihren Forderunge­n den Geist der Verhandlun­gen gestört. Sprecher des nordkorean­ischen Außenamts

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