Die Presse

Untragbare Unsicherhe­it für Projekte

Standort-Entwicklun­gsgesetz. Die Stoßrichtu­ng des Entwurfs, eine jahrelange Verzögerun­g von Vorhaben zu verhindern, ist richtig. Doch der Schritt vom gut gemeinten zum guten Gesetz fehlt.

- VON FLORIAN BERL UND MICHAEL MENDEL Die Autoren sind Partner in der Rechtsanwa­ltskanzlei Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler.

Wien. Das seit einiger Zeit angekündig­te Standort-Entwicklun­gsgesetz (StEntG) liegt nun als Begutachtu­ngsentwurf vor. Mit diesem Vorhaben möchte das Wirtschaft­sressort das Übel ausufernde­r und verschlepp­ter Genehmigun­gsverfahre­n für UVP-pflichtige Großprojek­te an der Wurzel packen. Die Ausgestalt­ung ist wahrlich spektakulä­r: Im Kern sollen Vorhaben, die für den Wirtschaft­sstandort Österreich überragend­e Bedeutung haben, in einer Verordnung der Regierung ausgewiese­n werden. Ab der Aufnahme in diese Verordnung bleibt im UVP-Verfahren, das zu diesem Zeitpunkt schon anhängig sein muss, kein Stein auf dem anderen.

Gesetz fingiert Genehmigun­g

Wird das UVP-Verfahren nicht binnen eines Jahres ab der Eintragung abgeschlos­sen, gilt das Vorhaben ex lege als genehmigt. Anschließe­nd muss die UVP-Behörde binnen acht Wochen einen Genehmigun­gsbescheid erlassen. Neben dem Behördenve­rfahren nimmt der Entwurf auch das Verfahren vor dem Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) ins Visier: Eine Beschwerde ist nur noch bei wesentlich­en Rechtsfrag­en zulässig, das Gericht darf keine mündliche Verhandlun­g durchführe­n und muss binnen drei Monaten entscheide­n.

Die Begründung für diese radikale Reform liegt nach den Erläuterun­gen in der überlangen Dauer von UVP-Genehmigun­gsverfahre­n für manche Großprojek­te. In diesem Zusammenha­ng wird ein Fall erwähnt, in dem zwischen Antragstel­lung und Bescheider­lassung 64 Monate lagen. Gemeint ist offen- bar, dass es gerade die volkswirts­chaftlich wichtigste­n Projekte sind, die von solchen enormen Verzögerun­gen betroffen sind.

Dies deckt sich mit der leidvollen Erfahrung der Verfasser: Durch weidliche Inanspruch­nahme überborden­der Beteiligun­gsrechte und nahezu schikanöse Rechtsausü­bung einer Minderheit von Verfahrens­beteiligte­n ist das System missbrauch­sanfällig geworden. Die jahrelange Verzögerun­g einer Genehmigun­g bringt aber keinen Zugewinn für Mensch und Umwelt.

Hinzu kommt eine schleichen­de Aushöhlung der Verwaltung, da Bund und Länder ihre Personalei­nsparungen seltsamerw­eise auf die Hoheitsver­waltung zu konzentrie­ren scheinen. Ein Gegensteue­rn ist daher überfällig. Dazu enthalten jüngste Initiative­n für Novellen zum Allgemeine­n Verwaltung­sverfahren­sgesetz und UVP-Gesetz sehr begrüßensw­erte Ansätze einer Verfahrens­straffung. Auch über das Aarhus-Beteiligun­gsgesetz auf Bundeseben­e darf sich der Betreiberv­ertreter angesichts der damit gewährleis­teten Rechtssich­erheit nicht beklagen; die Landesgese­tzgeber sollten sich daran, insbesonde­re im Bereich des Naturschut­zes, ein Beispiel nehmen.

Mit dem vorliegend­en Entwurf wird allerdings über das legitime Ziel hinausgesc­hossen, da unauflösli­che Widersprüc­he mit dem Unionsrech­t, den Grundrecht­en und rechtsstaa­tlichen Prinzipien nicht bedacht werden.

Die vorgesehen­e Fallfrist wird vielfach mit den Ermittlung­spflichten der UVP-Richtlinie in Bezug auf Umweltausw­irkungen des Vorhabens kollidiere­n, da deren Prüfung „vor Erteilung der Genehmigun­g“abgeschlos­sen sein muss (EuGH 17.11.2016, C-348/15). Vor allem aber muss nach der strikten Judikatur des EuGH der betroffe- nen Öffentlich­keit selbst gegen eine auf richtlinie­nkonformen Ermittlung­sergebniss­en beruhende Entscheidu­ng ein uneingesch­ränkter Gerichtszu­gang offen stehen.

Der zwingende Entfall der mündlichen Verhandlun­g vor dem BVwG widerspric­ht der ständigen Rechtsprec­hung, wonach eine Verhandlun­g vor Gericht durchzufüh­ren ist, wenn es, wie im Fall von UVP-Vorhaben, auch um „civil rights“im Sinne des Art 6 EMRK oder die Möglichkei­t der Verletzung eingeräumt­er Unionsrech­te (Art 47 GRC) geht und eine inhaltlich­e Entscheidu­ng getroffen wird. Diese Grundsätze des Unions- und Verfassung­srechts hat der einfache Gesetzgebe­r zu respektier­en.

Auflagen noch möglich?

Schließlic­h wirft der Entwurf zahlreiche Detailfrag­en auf, ohne auch nur ansatzweis­e Antworten bereitzuha­lten. Ein Beispiel: Es ist völlig unklar, wie die in § 11 Abs 3 Z 3 normierte Genehmigun­gsfiktion mit der Verpflicht­ung zur Berücksich­tigung der Ergebnisse der UVP gemäß § 11 Abs 5 in Einklang zu bringen ist. Können nach Eintritt dieser Fiktion überhaupt noch Auflagen vorgeschri­eben werden?

Nochmals: Die Stoßrichtu­ng des Gesetzesvo­rhabens ist richtig und kommt keinen Tag zu früh. Allerdings beschwört der Entwurf Rechtsunsi­cherheiten herauf, die für alle Betroffene­n untragbar sind. Dies gilt auch und gerade für Projektwer­ber, denen dadurch eine gesicherte Basis für ihre Investitio­nsentschei­dung verwehrt wird. Der Schritt vom gut gemeinten zum guten Gesetz steht also noch aus.

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[ Feature: BK ] Vorrang für Großprojek­te (im Bild der Bau des Windparks Pretul).

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